Mit dem Motorsegler nach Afrika
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Ein Reisebericht von einem Flug
mit dem Motorsegler von Eisenach nach Karthago,
von Jürgen Dreßler und Michael Herms


Jürgen Dreßler (li.) und Michael Herms vor ihrer IS-28 auf dem Flugplatz Bozen
(klicken für volle Auflösung)

Unser besonderer Dank für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung des Fluges, wie auch bei der Realisierung dieses Berichtes gilt an erster Stelle unseren verständnisvollen Frauen, Ina und Kathrin, sowie Dr. Roland Scheffel, Reinhold Langellies, dem Ehepaar Steude, Manfred Stuck, Peter Marschik. und auch den vielen, weiteren, hier ungenannten Helfern und Helferinnen in Deutschland, Italien und auch in Tunesien.
 

Die Vorgeschichte
 


Der Traum vom Fliegen in ferne Länder...

Seit Anfang der neunziger Jahre war es auch uns - nach der Wiedervereinigung - möglich, mit Motorseglern über unserer Heimat zu fliegen. Seit uns diese Freiheit offen stand, träumten wir von großen Strecken. Natürlich war es nahe liegend, auf Erfahrungen anderer Flieger aufzubauen.

Leider waren diese Erfahrungen im Osten aus bekannten Gründen nicht vorhanden. Kontakte in die alten Bundesländer ließen uns jedoch schnell erkennen, dass auch hier die Anzahl von kompetenten und erfahrenen Fliegern - im Sinne von Flügen in andere Länder -  eher selten anzutreffen waren. Natürlich fanden sich schnell ein paar Geschichtenerzähler, doch wenn es um Konkretes ging, war meist schnell die Luft raus.

Auf alle Fälle hatten wir hierbei eine ganze Reihe von „ist-doch-kein-Problem-Fliegern“ kennen gelernt. Die meisten sind bis heute nicht selbständig ins Ausland geflogen, sondern saßen irgendwo mal mit in einem Flugzeug oder kannten jemand, der dies mal gemacht hatte. Somit waren die Erfahrungen, auf die wir zurückgreifen wollten, kaum nutzbar für uns. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Ich habe später noch sehr kompetente Piloten kennen gelernt, aber als wir solche Personen suchten, hatten wir offensichtlich etwas Pech. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als es selbst in die Hand zu nehmen, sollte unser Wunsch in fremde Länder zu fliegen nicht nur ein ewiger Traum bleiben.

Aus dieser Situation heraus entstand zunächst die Idee, mit einem Falken nach England zu fliegen. Warum gerade England? Nun, zum einen interessiert mich dieses Land und zum anderen stellte für uns, als Innlandflieger, die Kanalüberquerung schon eine Herausforderung dar. Nun handelte es sich bei dem SF 25 B Falken mit seinem 43 PS Stamomotor nicht unbedingt um unser Traumflugzeug. Aber es war ein zuverlässiges Flugzeug und es stand uns zur Verfügung. Rückblickend können wir uns nur lobend über „unsere“ D-KBIC äußern. Sie hat uns nie im Stich gelassen.

Nach England...

Im August 1995 starten Michael Herms und ich vom Flugplatz Gotha aus nach England. Wir hatten gutes Wetter und so machte das Fliegen natürlich Spaß. Die relativ begrenzte Reichweite dieses Flugzeuges ließ uns auf dem Weg nach England freundlicherweise eine ganze Reihe netter Flugplätze kennenlernen, so besuchten wir Siegerland, Aachen, Kordrijk, Lydd und Bonn-Hangelar.

Dieses Unternehmen vermittelte uns viele Eindrücke und Erfahrungen und trug auch dazu bei, die Zurückhaltung bei der Benutzung von größeren Plätzen abzubauen. Insgesamt verlief der Flug nach Lydd sehr erfolgreich und die dabei gewonnenen Erfahrungen waren gerade auch auf unserem Afrikaflug sehr hilfreich.

Nachdem wir von England zurückgekehrt waren interessierte sich die örtliche Presse für unseren Flug. So kam es, dass wir eines Abends im September 1995 im Biergarten einer kleinen Kneipe in Gotha mit Peter Marschik, einem örtlichen Reporter, zusammen saßen. Nachdem alles notiert war kam die abschließende Frage: „Wohin geht es denn das nächste Mal?“ Darüber hatten wir uns überhaupt keine Gedanken gemacht, wir waren stolz und froh, den Englandflug gemacht zu haben. Mehr im Scherz sagte einer von uns „nach Afrika!“ und schob gleich nach „...wenn das Geld reicht“, denn schließlich ist das ja auch nicht ganz unwichtig.

Damit war die Idee geboren nach Afrika zu fliegen. Aber erst zwei Jahre später sollte sie Wirklichkeit werden.
 

Pläne, Vorbereitungen und gute Ratschläge
 
Im Sommer 1996 machte ich erstmals Urlaub in Italien. Mir gefiel dieses Land mit seinen netten Leuten und der überwältigenden Geschichte sehr. Wie es häufig so ist im Urlaub, man sitzt bei schönstem Wetter irgendwo und träumt so vor sich hin. So war es auch in meinem Fall, ich saß am Strand des Gardasees und träumte, vom Flug über die Alpen und das Meer und so reifte in mir der Entschluss, die Sache mit dem Flug nach Afrika jetzt ernsthaft anzugehen.

Nachdem ich aus dem Urlaub zurück war besuchte ich Michael, um ihm von Italien zu erzählen und um ihn an Afrika zu erinnern. Nach wenigen Minuten lag eine Karte auf dem Tisch und wir waren in Gedanken schon unterwegs. Für uns stand auch sofort fest, dass wir diesen Flug nur mit der neuen IS-28 machen wollten, bot sie doch neben der erforderlichen größeren Reichweite auch noch die weitaus größere Reisegeschwindigkeit.

Wir unterhielten uns beim nächsten Stammtisch mit Roland Scheffel, dem Eigentümer des Falken und der IS-28, über unseren Plan. Auch Roland war gleich von der Idee begeistert. Von da ab wurde an vielen Stammtischabenden in der „Burgenlandung“ über diesen Flug gesprochen und irgendwann war die Idee geboren, doch gleich mit beiden Flugzeugen, also der IS-28 und dem Falken zu fliegen. Die Vorstellung, dass der Falke mitkommen sollte, bereitete mir zwar einige Schwierigkeiten, Roland und Thomas Ludwig (der als Kopilot im Falken vorgesehen war) waren aber fest davon überzeugt, damit zum Ziel zu kommen.

Michael brachte in diesem Zusammenhang die Vorstellung ins Spiel, man könnte doch unterwegs die Flugzeuge tauschen, damit jeder mal sowohl Falke als auch IS-28 pilotieren könnte. Ich fand die Idee nicht unbedingt verlockend, aber mich beruhigte die Tatsache, dass ich die erste Hälfte der Strecke mit der IS-28 fliegen sollte. Ich sagte mir, wenn der Falke den Hinweg schafft, dann schaffen wir es auch zurück. Meine Hauptbedenken galten in diesem Zusammenhang von Anfang an der Steigleistung und der Zuladung. Unsere Falkenbesatzung war jedoch voll davon überzeugt, dass dies kein Problem sei. Beide hatten sich vorgenommen, etliches an Gewicht abzunehmen, aber es blieb beim Wollen, wie sich später herausstellen sollte.

Als nächstes ging es nun daran, eine Strecke grob festzulegen und Kartenmaterial zu bestellen. Micha und ich, darüber waren wir uns schon vorher klar, wollten nach Tunesien. Unser Ziel hieß Karthago.

Die Bestellung der Karten war unkompliziert. Wir bekamen relativ zügig die ICAO Karten für Österreich und Italien, für Nordafrika mussten wir uns mit sogenannten TPC-Charts (Tactical Pilot Charts, die Karten der US-Luftwaffe) anfreunden. Die eigentlich standardisierten ICAO Karten stellten jedoch - zumindest für Italien - eine eigene Herausforderung dar. Eine Unmenge von Aufdrucken ließen uns zeitweise an der Befliegbarkeit dieser Region zweifeln. Auskünfte von Piloten, die schon in Italien nach Sichtflugregeln geflogen waren, widersprachen allen Aufdrucken. Die Empfehlungen gingen von "tief fliegen und nicht melden" (typische UL-Ratschläge) bis zum Hinweis, man unterliege permanenter Kontrolle (reine Motorflieger).

Uns blieb also nur, unsere eigenen Erfahrungen zu machen. Zunächst wandte ich mich an die Tunesische Botschaft in Bonn, um die Einreiseformalitäten zu klären. Das war erfreulich unkompliziert. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir auch, dass wir eine Einfluggenehmigung benötigten. Leider konnte uns dort aber niemand sagen, wo und wie diese zu erlangen sei.

Guter Rat ist teuer

Um so viele Informationen wie möglich zusammenzutragen durchsuchte ich alte Fliegerzeitschriften nach Reiseberichten. Die hier gefundenen Erfahrungen waren sehr unterschiedlich und für uns nur begrenzt hilfreich. Ich wandte mich deshalb an die AOPA Deutschland (AOPA = Aircraft Owners and Pilots Association). Obwohl ich kein Mitglied war, waren die Damen und Herren sehr hilfsbereit. Sie schickten einige Informationen, insbesondere zu tunesischen Flugplätzen, die uns durchaus hilfreich waren. Als weitere Quelle nutzen wir den DAeC, von dem wir allerdings leider nur ein paar alte Reiseberichte aus Fliegermagazinen bekamen. Als DAeC Mitglieder waren wir enttäuscht, hatte uns doch die AOPA weitaus besser geholfen.

Ich hatte einmal von einem Buch über einen Motorseglerflug zum Nordkap gehört, das ich unbedingt vor unserem Flug lesen wollte. Der Versuch, dieses Buch im Handel zu bekommen scheiterte, es war vergriffen und es gab auch keine neuen Auflagen. Es blieb mir also nur der Weg in eine Bibliothek. Über eine Fernleihe hielt ich es endlich, nach 6 Wochen, in meinen Händen. Dieses Buch (P. W. Stahl, „Von den Alpen zum Nordkap - 7000 Kilometer Luftwandern“, 1985, Motorbuchverlag Stuttgart, ISBN 3-613-01037-2) vermittelte uns einige wertvolle Erfahrungen, die wir dankbar berücksichtigten.

Um einen geeigneten Starttermin festlegen zu können, liehen wir weiterhin diverse Bücher über die Alpen, Italien und Tunesien aus. Es ging uns dabei insbesondere um die meteorologischen Bedingungen. Die IS-28 besitzt keine Vergaservorwärmung, zudem hatten wir keine Erfahrung damit, wie sie sich in großen Höhen bei tiefen Temperaturen verhält. Andererseits hatten wir es im Süden wieder mit Wärme zu tun. Es galt also einen Zeitpunkt zu finden, zu dem es in Tunesien noch nicht zu warm war und andererseits über den Alpen nicht zu kalt sein sollte. Schließlich einigten wir uns auf den 8. Mai 1997 als Starttermin.

Die Ausrüstung

Als nächstes mussten Schwimmwesten besorgt werden und entsprechend den übereinstimmenden Empfehlungen auch ein Notsender, der sich später als äußerst nützlich erweisen sollte. Der Preis eines solchen Gerätes ist relativ hoch, also entschlossen wir uns, einen zu mieten. Es lohnt sich, die verschieden Anbieter zu vergleichen. Wir hatten schon fast ein Gerät bestellt, als wir erfuhren, dass wir es bei einem anderen Anbieter für nahezu die Hälfte der Kosten mieten konnten.

Zur Vervollständigung unserer Rettungsausrüstung hatten wir zudem beschlossen, Signalmittel mitzunehmen, Dank eines Bekannten gelang es uns, vier relativ große und dennoch leichte Raketen zu besorgen. Zusätzlich entschlossen wir uns, ein Zelt und Schlafsäcke mitzunehmen, denn wir wollten nach Möglichkeit im Zelt übernachten. Außerdem musste Werkzeug zusammengestellt und eingepackt werden.

Bis kurz vor unseren Start waren wir uns über unser Betankungsproblem nicht im klaren. Piloten, die vor uns in Italien waren, erzählten uns, Sprit sei an den meisten Flugplätzen nicht immer verfügbar. Das brachte uns auf die Idee, eine Heizölkanne mitzunehmen, um im Notfall Benzin von einer Tankstelle holen zu können. Zudem hatte die Kanne den Vorteil, dass man durch den großen Einfüllstutzen auch Werkzeug in ihr verstauen konnte.

Bei der Vorbereitung eines solchen Fluges hat man in der Regel sehr viel Zeit und man sollte alles in Ruhe durchdenken. So gehörte natürlich zu unserer Ausrüstung auch eine Bordapotheke, die wir nach bestem Wissen und Gewissen zusammenstellten. Besondere Beachtung meinerseits galt der Sonne. Ich, als mehr oder weniger Rothaariger, habe sowieso ein besonderes Verhältnis zu ihr. Neben entsprechenden Sonnencremes fand ich in einem Baumarkt eine hervorragende Sonnenschutz-Abdeckung für Pkws, die wie gemacht war für unser Flugzeug. Sie hatte in der Mitte einen Saugnapf und war somit leicht und ohne Probleme im Flugzeug zu befestigen. Außerdem konnte sie jederzeit dem aktuellen Sonnenstand entsprechend mit einer Hand versetzt werden.

Micha und ich hatten zum Glück unterschiedliche Kreditkarten, so dass das Problem Zahlungsmittel schnell geklärt war. Unabhängig davon musste natürlich vor dem Flug noch Geld getauscht werden, wir entschlossen uns, Lira und Dollar mitzunehmen. Die Kommunikationsproblematik sollte auch nicht vergessen werden, wir hatten vor, ein Handy mitzunehmen, und da die dazugehörige Karte nur in Deutschland benutzt werden konnte, mussten wir uns noch schnell eine D-Netz-Karte mit Roamingvertrag besorgen. Im Rahmen der medizinischen Vorbereitung besprachen wir auch notwendige Impfungen, vergaßen dann aber, uns impfen zu lassen, was zum Glück keine Probleme verursachte. Schließlich bestellten wir noch ein Tripkit für Italien, das unbedingt erforderlich ist und uns während des Fluges öfter eine große Hilfe war. Man sollte das Tripkit jedoch so spät wie möglich bestellen, damit es aktuell ist.

Etwa im März 97 klärte sich dann auch eindeutig die Sache mit dem Falken. Roland Scheffel musste aus geschäftlichen Gründen seine Teilnahme absagen, es tat ihm sichtlich leid, hatte er doch zu diesem Zeitpunkt den Hauptwiderstand innerhalb der Familie überwunden. Trotz unserer Unterstützung fand sich in den folgenden vier Wochen kein adäquater Ersatz, so dass feststand, dass Micha und ich alleine und mit nur einem Flugzeug fliegen würden.

Hilfreiche AIS...

Im April fuhren Michael und ich nach Frankfurt am Main zum Flughafen. Wir wollten zur AIS (Flugberatungsdienst), um uns detaillierte Informationen zu holen. Den Begriff AIS kannten wir bis dahin nur aus unserer Ausbildung zum PPL und hatten selber kaum Erfahrung damit. Auch aus unserem Bekanntenkreis (Segel- und Motorsegelflieger) hatte noch niemand eigene AIS-Erfahrung. Nachdem wir also unser Auto am Flughafen abgestellt hatten ging es auf die Suche nach dem AIS-Büro. Vertrauensvoll wandten wir uns an einen Informationsschalter im Terminal 2. Die Hostess versuchte uns zu helfen, von einem AIS-Büro hatte sie jedoch noch nie etwas gehört und überhaupt, es stünde auch nicht im Flughafenorganigramm.

Nach etlichen Telefonaten hatten wir aber jemanden gefunden, der uns helfen konnte und fast 1½ Stunden nach unserer Ankunft am Flughafen standen wir dann auch tatsächlich im AIS-Büro. Hier trafen wir auf einen sehr hilfreichen und ruhigen „Beamten“ der uns geduldig all unsere Fragen beantwortete und uns mit dem notwendigen Rüstzeug versah. Von ihm erhielten wir auch endlich das notwendige Formular zur Beantragung unserer Einfluggenehmigung. Insgesamt war die Beratung eine sehr positive Erfahrung, die für die Vorbereitung derartiger Flüge nur zu empfehlen ist.

Jetzt galt es nur noch, unseren Motorsegler einer letzten gründlichen technischen Kontrolle zu unterziehen, bei der sich keinerlei Probleme ergaben. Am 07. Mai 19997 trafen wir uns gegen Mittag in Eisenach am Flugplatz. Micha und ich beluden unsere IS-28 und machten noch einen letzten Check. Entgegen unseren Erwartungen brachten wir alles unter. Gegen 16.00 Uhr ergab sich noch ein kurzes Gespräch mit einem Reporter der Thüringer Allgemeinen, er hatte von unserem Vorhaben erfahren und wollte einen Bericht veröffentlichen.

Gegen 17.00 Uhr ging es nach Hause. Ein letzter Abend mit der Familie.


Die IS-28 wird auf dem Flugplatz Kindel für den Flug vorbereitet
 

Erster Tag, Himmelfahrt (8. Mai 1997)
 


Der Start

Heute ist es endlich so weit. Weder Michael noch ich brauchen einen Wecker um pünktlich munter zu sein. Natürlich geht an einem solchen Tag der erste Blick zum Himmel, er macht uns Hoffnung. 06.10 Uhr, Roland holt mich mit dem Auto zu Hause ab. Gemeinsam fahren wir zur Tankstelle, um die neuste TLZ zu kaufen. Gestern hat Peter Marschik angerufen und mitgeteilt, sein Artikel über unseren Flug würde schon heute erscheinen. Wir haben Pech, es ist noch keine Zeitung da. Wir fahren zu Michael und holen ihn ab, dann geht es nach Eisenach. Roland als alter Wetterfuchs erzählt uns unterwegs die letzten Wetterneuigkeiten einschließlich seiner Prognose. Wir kommen etwa gegen 06.50 Uhr auf dem Flugplatz Kindel an. Es stehen schon etliche Autos da und auch einige Leute laufen auf dem Flugplatz umher. Man soll es nicht glauben, aber sie sind wegen uns gekommen. Ich sehe Roland Falk, einen alten Arbeitskollegen. Er kommt zu mir und begrüßt mich. Seine Anwesenheit ist kein Zufall, wir hatten uns schon ein paar Tage zuvor unterhalten. Er übergibt mir eine Flaschenpost, die seine Tochter geschrieben hatte. Wir versprechen, sie über dem Mittelmeer abzuwerfen. Er stellt uns auch noch zwei kleine Sektflaschen ins Flugzeug und Micha und ich sind uns sofort einig, dass wir sie erst in Tunis trinken werden.

Roland Scheffel kümmert sich um das Flugzeug und sieht nochmal alles nach. Ich weiß nicht, was ihm mehr zu schaffen macht, der Gedanke, sein schönes, neues Flugzeug vielleicht nicht wieder zusehen oder einfach die Wehmut, nicht selbst an diesem Morgen am Start zu stehen. Ich gehe auf den Tower, um eine Wetterberatung einzuholen. Unsere Aussichten bis Augsburg sind gut, unser geplantes Tagesziel Bozen/Bolzano werden wir aber vermutlich nicht erreichen können. Wir hatten uns jedoch schon Tage vorher geeinigt, dass wir unbedingt starten wollten um so weit wie möglich zu kommen.

Nach einer letzen Tasse Kaffee und einer letzten Zigarette steigen wir in unser Flugzeug. Ich werde den ersten Streckenabschnitt bis Augsburg fliegen. Langsam rollen wir zum Rollhalt Alpha, Startbahn Eins Null. Ich checke nochmal das Triebwerk und rolle in Startposition, vom Tower kommt die Startfreigabe, nun sollte es also losgehen. Micha ist genauso gespannt wie ich, wissen wir doch, dass unser Flugzeug bis unters Dach beladen ist. Ich hatte zuvor das Startgewicht überschlagen, es soll unter uns bleiben. Ich setze die Klappen auf 10 Grad und will gerade den Gashebel auf Volllast stellen, als ich eine Hasenfamilie, zur Morgengymnastik versammelt, auf der Startbahn sitzen sehe. Wir geben den Langohren Zeit, sich ein besseres Plätzchen zu suchen, dann kann uns nichts mehr aufhalten, um 07.21 Uhr Ortszeit heben wir ab.

Augsburg, keine Chance für den Alpenüberflug...

Der Start verläuft trotz unseres Gewichts normal und problemlos. Wir verlassen den Platz und gehen sofort auf unseren Kurs. Micha, als alter GPS Fan verschwendet keine Sekunde an irgendwelche terrestrischen Navigationsmethoden, er verlässt sich lieber auf die Satelliten. Wir verabschieden uns über Funk und genießen zunächst diesen Moment. Es ist ein herrlicher Morgen und wir fliegen direkt auf den Kamm des Thüringer Waldes zu. Wir steigen so früh am Morgen und dank der kühlen Luft ganz akzeptabel. Die Landschaft unter uns ist mehr oder weniger vertraut. Plötzlich holt Micha den Fotoapparat heraus und macht ein paar Aufnahmen von einem Sender. Ich bekomme anschließend einen kurzen Abriss über die Geschichte und Bedeutung des Rundfunksenders Wachenbrunn. Ganz interessant und unterhaltsam, denn die Landschaft unter uns wird wieder flach und weniger fesselnd. Wir sind zwischenzeitlich auf der Frequenz von Nürnberg Information, nette Leute, deutlich englisch gesprochen, ich verstehe alles, das macht mir Hoffnung. Die Navigation ist bei diesem Wetter kein Problem, Micha muss dennoch ab und zu an seinem Liebling, dem GPS spielen.

Je näher wir unserem ersten Ziel Augsburg kommen, um so schlechter wird die Sicht und Dunst zieht auf. Tief im Süden sehen wir schon das angekündigte schlechte Wetter, dennoch wir haben noch Hoffnung, an diesem Tag eine Lücke für einen Alpenüberflug zu finden. Ich melde mich kurz nach Donauwörth bei Augsburg Tower. Die Sicht ist jetzt in die Kategorie unfreundlich abgerutscht, ich meine damit unter 5 km, gemeinsam schaffen wir es, den Platz auf der entsprechenden Anflugroute zu erreichen. Wir machen einen kurzen Anflug und dann gelingt mir eine saubere Landung. Ich merke es daran, dass Michael still ist. Wir verlassen die Bahn und rollen selbstbewusst zum tanken, schließlich möchten wir noch weiter, nach Italien.

An der Tankstelle angekommen müssen wir ein paar Minuten auf den Tankwart warten. In dieser Zeit ergibt sich ein Gespräch mit zwei Piloten einer Cessna, die vor uns auf die Betankung wartet. Bei der Besatzung handelt es sich um den Fluglehrer Reinhold Langellies und seinen Schüler. Schnell entwickelt sich eine interessante Unterhaltung. Reinhold Langellies ist, nach dem er von unserm Ziel erfahren hat, echt begeistert. Er erzählte uns von seinen Erfahrungen in Italien und wir hören natürlich sehr aufmerksam zu, haben wir doch zufällig jemanden getroffen, der weiß wovon er spricht. Da absehbar ist, dass wir einen längeren Aufenthalt in Augsburg vor uns haben, verabreden wir uns für später. Reinhold kümmert sich um seinen Schüler und wir rollen nach dem Tanken zum zugewiesenen Abstellplatz. Nachdem wir die „IS“ ordentlich abgestellt haben gehen wir zunächst zur Bodenkontrolle um unsere Gebühren zu entrichten.

Ich habe gerade die mir abverlangten 25 DM bezahlt, als mir zum Glück noch einfällt, dass wir ja ein lärmreduziertes Flugzeug haben. Nach kurzer Rücksprache schrumpfen unsere Landegebühren auf freundliche 15 DM. So gefällt es mir schon wesentlich besser. Als nächstes gilt unsere Aufmerksamkeit dem Wetter, ich setzte mich sofort daran und telefonierte mit München und Stuttgart. Was ich dort zu hören bekomme, entspricht so überhaupt nicht unseren Vorstellungen. Man räumt uns eine - wenn auch kleine -  Möglichkeit in den Abendstunden ein, aber wir sollen doch später nochmal anrufen, im Moment gäbe es keine Chance.

Bei den Segelfliegern...

Wir wollen gerade den Flugvorbereitungsraum verlassen, als Reinhold kommt. Er empfiehlt uns einen Besuch bei den Segelfliegern auf der anderen Seite des Platzes, dort könnten wir in der Vereinskneipe auch ordentlich und preiswert essen. Wir nehmen seine Empfehlung dankend an und gehen voraus, er will später nachkommen.

Die relativ große Vereinskneipe ist morgens gegen 10.30 Uhr schon gut besucht. An dieser Stelle sei angemerkt, hier zeigen sich zu den Vereinen im Osten doch noch sehr deutliche Unterschiede. Wir haben gerade unsere erste Tasse Kaffee getrunken als Reinhold wieder zu uns stößt. In seiner Begleitung ist sein Schüler. Wie wir erfahren, hat er gerade seinen ersten Alleinflug hinter sich gebracht und ist noch von diesen Eindrücken begeistert. Bei ein paar Tassen Kaffee und einem guten bayrischen Mittagessen, den Namen habe ich schon wieder vergessen, ergeben sich eine Reihe interessanter Unterhaltungen.

Nach dem Essen macht uns Reinhold mit einigen Segelfliegern bekannt, unter ihnen ist Pitt. Bei ihm handelt es sich offensichtlich um die Art Vereinsautorität, wie sie mehr oder weniger auf jedem Flugplatz anzutreffen ist. Ich meine damit offensichtliche Fachkompetenz und Entscheidungsbefugnis. Schnell ergibt sich, dass wir unseren MOSE zu den Segelfliegern rollen können, um damit Abstellgebühren zu sparen. Pitt weist uns den entsprechenden Platz zu.

Nachdem unser Flugzeug von mehreren Fliegern inspiziert ist und wir die notwendigen technischen Daten von uns gegeben haben, gehen wir zu den Hallen der Segelflieger, um sie uns anzusehen. Diese Hallen gefallen uns sehr, muss man doch nicht erst die halbe Halle ausräumen, um an ein einziges Flugzeug heranzukommen. An der Decke hängen die Segler und am Boden stehen die MOSE oder Schleppmaschinen. Bei dieser Gelegenheit können wir uns gleich den umfangreichen Flugzeugpark anschauen. Mich beeindruckt jedoch am meisten der SKP oder, wie es heute heißt, der Startwagen. Nicht seine technische Ausstattung ist es, nein das plakative Heimatbewusstsein, das offensichtlich bei seiner Gestaltung maßgeblich war. Bayrisch traditionell mit blau weißen Karos und bayrischem Wappen. Ein Foto von diesem Prachtstück ist unumgänglich.

Nach dieser kurzen Stippvisite gehen wir erneut zum Flughafengebäude, um nach dem Wetter zu fragen. Der Münchner Meteorologe macht keine Hoffnungen für diesen Tag, er teilte uns jedoch mit, ein kurzes Zwischenhoch sei auf dem Weg, es stünde derzeit über Paris. Aber eine Vorhersage, wann es unsere Region erreicht, sei noch nicht möglich. Wenn wir Pech hätten, würde es in der Nacht über uns hinweg ziehen und morgen wäre dann schon das nächste Tief da. Unsere Hoffnung ist somit auf die Morgenstunden des nächsten Tages gerichtet. Micha gibt dann auch gleich unseren Flugplan für den nächsten Tag auf. Wir entschließen uns als Zielort Bozen zu wählen. Unter der Berücksichtigung des Wetters erscheint uns dies sinnvoll. Damit wären wir wenigstens schon mal in Italien. Flugtaktisch ist diese Entscheidung natürlich ungünstig, darüber sind wir uns im klaren, denn mit der Höhe, die wir über dem Kamm der Alpen haben müssten, könnten wir sehr weit gleiten und da liegt Bozen natürlich zu nah. Trotzdem, wir bleiben bei unserer Entscheidung.

Wir wollen gerade gehen, als drei französisch sprechende Piloten in den Flugvorbereitungsraum kommen. Es stellt sich jedoch schnell heraus, dass es sich um Schweizer handelt. Sie wollten nach Warschau fliegen, mussten aber wegen des Wetters nach Norden ausweichen und kamen so nach Augsburg. Ihr Problem besteht darin, keine Karten für Mitteldeutschland zu haben, da sie nun über Nürnberg und Dresden nach Warschau fliegen wollen. Da es in Augsburg keine Karten gibt, machen wir ihnen den Vorschlag, unsere zu kopieren. Schnell ist ein Kopierer gefunden und wir machen uns an die Arbeit. Ein paar Minuten später halten die Schweizer ihre notwendige Karte in der Hand und können weiter.

Wir verlassen das Flughafengebäude, schließlich müssen wir uns nun um eine Übernachtung kümmern. Mit Pitt, dem Segelflieger sind wir uns schnell einig. Er zeigt uns einen Platz, wo wir unser Zelt für die Nacht aufbauen sollen. Nun, da fest steht, dass wir heute nicht mehr fliegen werden, können wir uns auch ein paar ordentliche Himmelfahrtsbiere gönnen. Gegen 18.00 Uhr meldet sich Reinhold Langellies telefonisch und lädt uns ein, nach München zu kommen, er will uns die Stadt zeigen. Leider sind alle Segelflieger aus München schon weg, so dass keine Möglichkeit besteht, in die Stadt zu gelangen. Schweren Herzens müssen wir absagen. Uns beeindruckt jedenfalls diese Geste und auch die freundliche Hilfsbereitschaft, die wir bis dahin schon erfahren haben.

Das dies noch steigerungsfähig sein sollte, hätten wir nicht erwartet: Als wir gegen 20.00 Uhr die Vereinskneipe verlassen, packt uns die Betreiberin noch schnell ein paar Dinge für die Nacht und das Frühstück ein.

Freundliche Helfer

Wir gehen zu unserem Flugzeug, um unser Zelt und die Schlafsäcke auszuladen. Als wir gerade dabei sind, kommt ein Ehepaar vorbei und erkundigte sich nach unserem Ziel und Flugzeug. Auch hier ergibt sich schnell ein Gespräch und, wie der Zufall es will, Frau Steude arbeitet in Erfurt bei der Stadtverwaltung, nur 20 Kilometer von unseren Wohnorten entfernt. Im Verlauf der Unterhaltung bietet uns das Ehepaar Steude unkompliziert an, in ihrem Wohnwagen hinter der Halle zu übernachten. Nach kurzen Zögern nehmen wir dieses Angebot dankend an. Nach einer Einweisung in den Wohnwagen verabschiedet sich das Ehepaar, zuvor laden sie uns jedoch noch zum Abendessen ein. Dies lehnen wir dann doch dankend ab.

Vermutlich wäre ohne die Möglichkeit der Übernachtung in diesem Wohnwagen unsere Reise am folgenden Tag schon zu Ende gewesen, denn in dieser Nacht sollte es unerwartet kalt werden. Hätten wir im Zelt, nur in unseren Schlafsäcken auf dem Boden geschlafen, hätten wir uns wohl eine anständige Erkältung geholt.

Vor dem Einschlafen unterhalten wir uns noch. Beide sind wir tief beeindruckt von der Freundlichkeit, die wir hier in Augsburg angetroffen haben. Wir hoffen nur, dass Flieger aus dieser Region auch die selbe Unterstützung und Hilfe bekommen, wenn sie eines Tages einmal nach Thüringen verschlagen werden.
 

Zweiter Tag, Alpenüberflug
 


Klirrender Frost

Wegen des angesagten kurzen Zwischenhochs hatten wir uns entschlossen, bereits 06.00 Uhr Ortszeit zu starten. Dementsprechend haben wir unsere Weckzeit auf 04.30 Uhr eingestellt. Ich brauchte jedoch in dieser Nacht keinen Wecker, die klirrende Kälte lässt mich immer wieder aufwachen. Als ich gegen 4.30 Uhr aufstehe, dämmerte es schon. Ich verlasse den Wohnwagen, Micha quält sich noch in seinem Schlafsack. Im Freien ist es noch kälter, -5°C für den 9. Mai sind sicher auch nicht normal.

Nachdem ich mir mit grauenhaft kaltem Wasser die Zähne geputzt habe, gehe ich zum Flugzeug. Schon auf dem Weg dorthin lässt der Raureif auf der Wiese nichts gutes ahnen. Als ich schließlich die „IS“ sehe hätte ich mich am liebsten wieder in meinen Schlafsack gelegt, sie ist überzogen mit einer 2-3 mm starken Eisschicht. Ein erster Versuch das Eis abzukratzen zeigt mir die Unmöglichkeit dieses Ansinnens. Ich gehe zurück zum Wohnwagen um Micha die unfreundliche Entdeckung mitzuteilen. Der positive Nebeneffekt ist zumindest, dass Micha seinen Schlafsack verlässt, um das Malheur mit eigenen Augen zu sehen. Gemeinsam betrachten wir unseren vereisten Vogel.

Der Blick zum Himmel lässt uns zu allem Unglück auch noch sehen, dass die Meteorologen mal eine richtige Vorhersage gemacht haben. Im Westen zieht hohe Bewölkung auf, mit Zugrichtung nach Osten. Uns ist klar, entweder wir starten in den nächsten 2 Stunden oder wir müssen hier bleiben. Wir entschließen uns also, unseren Flieger frei zu kratzen. Zum Glück hatte ich einen Wischer mit Gummilippe mitgenommen, der nun als Enteisungswerkzeug herhalten muss. Nachdem wir zehn Minuten gekratzt haben, ist der Erfolg niederschmetternd. Wir rufen zunächst den Tower, um unsere Abflugzeit zu verschieben. Wegen uns ist der dortige Kollege extra eine Stunde früher gekommen und bestimmt nicht begeistert über die Änderung unserer Pläne, aber er hat Verständnis. Kurzzeitig spielen wir sogar mit dem Gedanken, die Enteisungsanlage am Flugplatz zu benutzen, um unser Wetterfenster nicht zu verpassen. Der zu erwartende Preis lässt uns die Sache jedoch schnell vergessen.

Mit aufgehender Sonne steigen unsere Chancen langsam. Wir drehen unser Flugzeug in die Sonne und ihre ersten Strahlen helfen uns bei dieser ungewöhnlichen Arbeit. Michael verdrückt sich nach etwa einer Stunde mit der unwiderlegbaren aber durchsichtigen Ausrede, er wolle den Wohnwagen aufräumen. In Wirklichkeit klappert er schon am ganzen Leib, denn schließlich hat keiner von uns Handschuhe, und da ist Eiskratzen kein Vergnügen. Je höher die Sonne kommt, um so besser geht es jedoch und nach zwei Stunden haben wir es endlich geschafft. Wir lassen unseren Motor an, der auch ordentlich seinen Dienst tut. Langsam rollen wir zum Flughafen und bedanken uns noch mal beim Controller für sein Verständnis.


Eiskratzen in der morgendlichen Kälte von Augsburg

Dann ist es endlich so weit, ich rolle auf die Bahn und schiebe den Gashebel auf Volllast. Unser Flugzeug steigt schnell und so verlasse ich die Kontrollzone Augsburg recht zügig in Richtung Süden. Kaum haben wir 100 Meter unter uns, als sich in Kursrichtung ein herrliches Panorama auftut. Im selben Moment kommt auch schon über Funk vom Controller der Hinweis, er hätte sich große Mühe gegeben, ein derartiges Panorama zu organisieren. Wir können tatsächlich das gesamte Alpenmassiv in seiner fast vollständigen Ausdehnung sehen, die klare, kalte Luft macht es möglich. Dieser Anblick lässt uns schnell die vorangegangenen Stunden vergessen.

Gerade als ich mich von Augsburg Tower verabschieden will meldet sich dieser und übermittelte uns noch einen Anruf. Reinhold Langellies hatte sich gemeldet und wünscht uns einen guten Flug. Er hat wohl zu Hause die Frequenz abgehört. Eine sehr nette Geste, wie wir beide finden.

Alpenüberquerung

Nun soll uns nichts mehr aufhalten. Ich fliege mit ca. 140 km/h ständig steigend. Als nächstes liegt der weithin sichtbare Ammersee vor uns. In meinem guten Steigen werde ich leider durch den Luftraum C bei München behindert, erst nachdem wir diesen unterflogen haben, können wir weiter auf unsere geplante Höhe gehen. Entgegen unseren Befürchtungen läuft unser Triebwerk super, wir hatten mit möglichen Problemen wegen Vergaservereisung gerechnet, diese Befürchtung erweist sich jedoch als unbegründet. Je näher wir den Alpen kommen, um so herrlicher wird das Panorama. Wir sehen im Osten Wolken in den Tälern.


Voraus der Ammersee, dahinter das herrliche Panorama der Alpen

Zwischenzeitlich ist jedoch die zuvor gesichtete, hohe Schichtbewölkung über uns. Am Horizont sehen wir nur noch einen kleinen blauen Streifen über den Alpen, darüber liegt die Wolkendecke. Weiter steigend erreichen wir Mittenwald, Micha funkt und meldet uns in Deutschland ab und in Österreich an. Ohne Schwierigkeiten überfliegen wir die ersten Berggipfel. Wir sind beide tief beeindruckt und machen Fotos ohne Ende.

Nach kurzer Rücksprache mit Innsbruck Approach erhalten wir die Freigabe zum direkten Durchflug durch die Kontrollzone von November nach Sierra. Wir sind begeistert von der „IS“, in 11500 ft (gut 3500 Meter) steigen wir immer noch mit 0,8 Meter/Sekunde - und das bei 140 Km/h! Wir haben damit eine Höhe erreicht, die uns den sicheren Überflug über das Karwendelgebirge erlauben sollte. Es ist schon beeindruckend, von Norden her über dieses Gebirge zum Inntal zu fliegen. Die herrlichen weißen Berge lassen uns gar nicht los - es ist, als würden wir eine Mauer überfliegen, unendlich tiefer liegt das Inntal und Innsbruck. Wir durchqueren die Kontrollzone, ich genieße hierbei den herrlichen österreichischen Dialekt.


"Die herrlichen weißen Berge lassen uns gar nicht los -
es ist, als würden wir eine Mauer überfliegen, unendlich tiefer
liegt das Inntal und Innsbruck"

Weiter geht unser Flug Richtung Brenner. Dabei merken wir zum ersten Mal, wie schnell man sich im Tal irren kann und in ein falsches einfliegt. Nun kommen wir in einen Bereich, wo rechts und links noch höhere Berge stehen. Michael nimmt Kontakt mit Bozen auf, eine freundliche Frauenstimme begrüßt uns. Wir entschließen uns, direkt nach Bozen zu fliegen und den Einflug über November zu nutzen. Mehr oder weniger schnell sind wir uns über das richtig Tal einig und fliegen November an. Ich drossele unser Triebwerk, zum Abschalten kann ich mich nicht recht entschließen, es ist schon irgendwie Vertrauen erweckend, wenn sich da vorn etwas dreht.

Wir beginnen mit unserem allmählichen Abstieg. Schneller als erwartet und viel zu tief unter uns kommt Bozen in Sicht. Ich setze die Klappen auf 30 Grad und nehme die Bremsklappen heraus. Es ist nicht zu schaffen. Mein Anflug auf Bozen ist viel zu hoch, so bleibt uns nur ein „go around“, ich starte also durch und fliege eine Platzrunde. Man muss schon ganz schön eng kurven, um in den Gegenanflug zu gelangen, denn ein kleiner Berg mit Burg steht sonst im Weg. Etwas tief, mit 150 ft, fliegen wir über die Stadt, um Kräne herum zum erneuten Anflug. Diesmal passt es bestens, ein sanfter Ruck und wir setzen 09.14 Uhr in Bozen auf.

Bolzano und Bürokratie auf italienisch

Wir sind in Italien und freuen uns es geschafft zu haben. Nach dem Verlassen der Bahn rollen wir zur Tankstelle um unseren Vogel zu füttern. Der nette Tankwart macht ein Foto von uns. Dann geht es zum Tower. Es handelt sich hierbei um ein kleines massives Gebäude, das in keiner Weise den Eindruck eines Towers oder einer Flugleitung macht. Es stört uns nicht, im Innern werden wir durch die freundliche Italienerin, die wir bereits am Funk kennen gelernt hatten, begrüßt.

Nach einem kurzen Gespräch werden wir zur Verwaltung geschickt. Hier erwartet uns eine Prozedur, mit der wir nicht gerechnet haben. Zunächst bekommen wir einen Zettel, den wir ausfüllen sollen. Micha schiebt ihn mir als „gelernten Beamten“ gleich rüber. Auf diesem Schriftstück sind Fragen zur Person, der Lizenz, dem Flugzeug und den Flugzeugeigner zu beantworten. Ich habe nun erst einmal 15 Minuten zu tun, um alle Daten aus dem Bordbuch und meiner Lizenz zusammenzutragen. Gerade als ich damit fertig bin, kommt eine nette, deutsch sprechende Angestellte und sagt mir, ich solle da, wo ich nicht sicher bin, einfach okay hinschreiben. Ich dachte nicht, dass deutsche Bürokratie zu überbieten sei! Das ist das schöne an Italien, es kommt nur darauf an, auf wenn man trifft. Was für den einen wichtig ist, interessiert einen anderen überhaupt nicht, wir sollten auf unserer Reise noch andere Beispiele kennenlernen.

Nachdem ich dieses Formular ausgefüllt habe dachten wir, das wäre nun alles und wir müssten nur noch bezahlen. Weit gefehlt. Zunächst lässt sich der nette aber bestimmte italienische Beamte meine Dokumente sowie die des Flugzeuges vorzeigen. Nachdem er mich darauf hingewiesen hat, dass die Jahresnachprüfung der „IS“ im Mai ablaufen wird, was mir zeigt, dass er sehr gründlich überprüft hat, bekomme ich alle Dokumente zurück. Wir bezahlen unsere Landegebühren, erfreuliche 16,-DM umgerechnet und rollen die „IS“ zu einer Abstellposition auf der Wiese.

Nachdem unser Flugzeug verankert ist, begeben wir uns in die Stadt auf die Suche nach einem ordentlichen Frühstück. Schnell finden wir in unmittelbarer Nähe des Flugplatzes eine Bar, die geöffnet hat. Bei angenehmen 20° C setzen wir uns ins Freie und genießen einen ersten Cappuccino. Nach dem ausgiebigen Frühstück begeben wir uns zurück zum Flugplatz, schließlich wollen wir heute noch ein Stück weiter. Micha kümmert sich um die Flugvorbereitung, ich versuche ein paar Wetterinformationen zu bekommen. An dieser Stelle sei angemerkt, Wettervorhersagen haben wir in ganz Italien nie bekommen. Wenn man nach dem Wetter fragt, bekommt man auf Wunsch lediglich die aktuellen TAF’s der an der Route gelegenen Plätze. Die freundliche Italienerin in der Flugleitung holt auch umgehend die notwendigen Informationen ein.

Wir hatten geplant, von Bozen aus über den Gardasee weiter über Parma, Massa und entlang der Küste an Pisa vorbei nach Elba zu fliegen. Die TAF’s, die wir bekommen, machen Hoffnung, lediglich eine einzelne Wetterstation oben auf dem Apennin meldet aufliegende Bewölkung und Regen. Die Kollegin von der Flugleitung, zu unserem Glück spricht sie deutsch, sagt uns noch, dies sei normal, es würde dort häufig regnen. Sie schlägt uns daher vor nach Westen auszuweichen, dort stünden unsere Chancen besser. Wie recht sie hatte wurde uns später deutlich vor Augen geführt. Unabhängig von diesem Ratschlag entschließen wir uns, unseren geplanten Flugweg zu nehmen, in der Hoffnung den Apennin an einer flacheren Stelle überqueren zu können. Im Hochgefühl unserer gerade vollzogenen Alpenüberquerung erschien uns der kleine Apennin kaum als Herausforderung. Es sei vorweggenommen: Er zeigte es uns gründlich.

Nach dem Wetter kommt die Standardfrage nach einem Flugplan. Es ist in Italien üblich, bei VFR Flügen einen Flugplan aufzugeben, es sei denn man hat ein ELT (Emergency Locator Transmitter - Notsender) an Bord. Da wir ein solches Gerät bei uns haben, brauchen wir uns in Italien nie um einen Flugplan kümmern, ausgenommen natürlich Grenzüberflüge. Wir empfinden diese Regel als sehr sinnvoll und nützlich, denn schließlich ist in einer Notsituation ein aktivierter Notsender schneller zu finden als ein nach Zeit überfälliges Flugzeug, welches erst gesucht werden muss.

Garda CTR

Gegen 13.00 Uhr rollen wir zum Start, Micha wird diesen Streckenabschnitt fliegen. Gerade als wir starten wollen, werden wir zurückgerufen, ein aufmerksamer Pilot hatte gesehen, wie etwas von unserer Tragfläche gerollt war. Es ist meine Kamera, wir haben sie wohl beim Beladen vergessen. Wir bedanken uns und rollen erneut zum Start, 13.08 Uhr Ortszeit hebt unsere „IS“ ab. Über Sierra verlassen wir den Flugplatzbereich von Bozen. Für uns ist es ein ungewohntes Fliegen. Wir fliegen entlang dem Tal in Richtung Süden, rechts und links doppelt so hohe Berge. Wir sind beeindruckt und genießen zugleich diesen phantastischen Anblick. Meine Aufmerksamkeit gilt jedoch zugleich allen Stromleitungen und Sendemasten - erstens gibt es davon hier sehr viele und man kommt auch schnell ganz schön nah an die Dinger rann.


Abflug aus Bozen:
"Wir fliegen entlang dem Tal in Richtung Süden, rechts und links doppelt so hohe Berge"

Der Flug verläuft ruhig, wir haben kaum Turbulenzen. Wir fliegen über Salorno nach Trento. Bei Salorno macht unser Tal einen sehr engen Knick, wir fliegen dabei ungewohnt nah am Berg. In Richtung Trento wird es dunstiger, aus einem Nebental quillt der Dunst richtig sichtbar heraus. Uns ist beiden klar, dies ist das Tal, in das wir abbiegen müssen, denn der Dunst den wir sehen kommt vom Gardasee. Die Sicht sinkt auf ca. 5 km, wir fliegen in das Tal ein und nach wenigen Flugminuten erreichen wir das Nordufer des Gardasees. Schnell sind ein paar Fotos gemacht. Kurz geht uns beiden durch den Kopf, dass ein Triebwerksausfall hier sehr ungünstig wäre, die schroffen Felsen fallen direkt in den See ab, es gibt keine Landemöglichkeit. Micha sucht seinen Urlaubsort, schließlich will er in diesem Sommer hier ein paar Tage mit seiner Familie verbringen, irgendwann glauben wir auch ihn ausgemacht zu haben. Wir fliegen weiter mitten über den Gardasee auf die Landzunge von Sirmione zu, es wird Zeit sich mit Garda Approach in Verbindung zu setzen.

Wir sind beide gespannt, dieses riesige kontrollierte Gebiet hat kein Schlupfloch, entweder wir bekommen eine Durchfluggenehmigung oder wir müssen einen großen Umweg machen. Problemlos erhalten wir, nachdem wir unseren Ein- und Ausflugpunkt angegeben haben, unsere Genehmigung. Mit 1500 ft GND können wir dieses Gebiet durchfliegen. Wir kommen nun in die Poebene, die aufregende Landschaft der Alpen und Voralpen lassen wir hinter uns. Der Dunst bleibt uns jedoch erhalten. Die Landschaft unter uns ist flach und ohne große Abwechslung, wir fliegen direkt auf Parma zu. Nachdem wir so einige Zeit fliegen, meldet sich plötzlich wieder der Controller von Garda Approach. Wir hören beide aufmerksam zu und verstehen undeutlich, dass wir uns beim Überqueren eines nicht verständlichen Ortes melden sollen.

Weder Micha noch ich haben verstanden wo genau wir uns melden sollen, eine Nachfrage endet mit dem selben Erfolg. „Report crossing Oglio“, war die kurze Antwort des Controllers. Ich wälze also die Karte und suche im Tripkit nach Anhaltspunkten. Nach einigen Minuten haben wir des Rätsels Lösung, der Controller hat uns keinen Punkt und keine Ortschaft gegeben, wir sollen das Überqueren des Flusses Oglio melden. Nach der Überflugmeldung sinkt das Interesse des Controllers an uns deutlich, offensichtlich haben wir einen für ihn wichtigen Bereich verlassen. Wir melden uns noch einmal kurz beim Überfliegen der Grenze der Garda CTR (Controled Terminal Region - Kontrollzone) und verlassen dann die Approach Frequenz. Vor uns liegt Parma, wir scherzen noch, dass wir eigentlich hier wegen des Schinkens landen müssten. Dass wir gut eine Stunde später hier aufsetzen werden, ahnen wir noch nicht.

Umkehr in den Apenninen

Vor uns kommen die Ausläufer der Apenninen in Sicht, die Bewölkung über dem Gebirge sieht nicht gut aus, dennoch, es scheint Bereiche zu geben, wo ein Kammüberflug möglich ist. Wir fliegen weiter, die terrestrische Navigation wird sehr schwierig, viele ähnlich aussehende Täler verunsichern uns. Hier im Gebirge ist unser GPS nicht allzu viel wert, man kann nicht einfach nur Kurs halten, denn es steht jede Menge im Weg. Wir fliegen in ein Tal ein in der Überzeugung, es sei das richtige, nach ca. 10 km müssen wir jedoch in 2500 ft feststellen, dass der vor uns liegende Kamm nicht zu überfliegen ist, aufliegende Wolken. Wir steigen weiter, dabei drehen wir nach rechts in Richtung Westen - dort sieht es besser aus.

Beim Überfliegen eines Bergrückens kommen wir in derartig starke Turbulenzen, dass Micha alle Hände voll zu tun hat. Es sind richtig harte Stöße, wir knallen mit dem Kopf gegen das Kabinendach. Spätestes hier ist Michael froh, die Schultergurte nicht ausgebaut zu haben. Während des Beladens der „IS“ hatte er, wegen deren ungünstiger Anbringung, mit diesem Gedanken gespielt. Nur meine heftige Intervention hielt ihn davon ab.

Kurze Zeit später kommen wir in einen Abwind, der uns selbst bei Vollast mit 2 m/s sinken lässt. Michael ist die Anstrengung anzusehen. Wolkenfetzen um uns und Gebirge mit gleich aussehenden Tälern unter uns, eine genau Ortsbestimmung ist mir nicht möglich. Michael lässt mir ein paar unfreundliche Worte zukommen, wegen der nicht eindeutigen Positionsbestimmung, ich nehme es hin. Ich schlage einen letzten Versuch weiter westlich vor, dort verläuft von Parma kommend eine Autobahn Richtung Süden. Wir finden sie recht schnell und folgen ihr ins Gebirge. Unser Tal wird immer enger, dann verschwindet die Autobahn in einem Tunnel, der Berg vor uns ist nicht zu überfliegen, die Wolken liegen wieder auf.


Während wir der Autobahn folgen, wird die
Wolkenuntergrenze immer niedriger

Schließlich entschließen wir uns zur Umkehr und machen eine Kehre. Was wir in der Theorie zu kennen glaubten, hier bekommen wir ein praktisches Beispiel, so ein Tal kann verdammt eng sein. Obwohl wir uns dicht an eine Talseite halten, kommen wir bei der 60° Kehre der anderen Seite recht nahe, ich schätze ca. 100 Meter. Wir haben beide die Nase voll und wollen Landen. Also entschließen wir uns, zurück nach Parma zu fliegen. Genau 16.01 Uhr Ortszeit landen wir auf dem Flughafen in Parma.

Parma - Italienerinnen und Carabinieri

Wir bekommen einen Platz auf dem Vorfeld zugewiesen, nirgends ist Verankerungsmaterial zu sehen, unsere Erdanker nützen uns auf dem Bitumen leider nichts. Wir räumen unsern Flieger aus und begeben uns zur Luftaufsicht. Ich habe wieder die leidige Aufgabe, die uns schon aus Bozen bekannten Formulare auszufüllen. Diesmal nehme ich es diesmal nicht so genau und schreibe dort, wo normal Daten gefragt sind einfach „okay“. Anstandslos wir es so akzeptiert.

Nachdem wir unsere Landeumlagen bezahlt haben bitten wir die nette Italienerin, uns eine Unterkunft zu besorgen. Wir haben beschlossen, uns ein festes Domizil zu gönnen. Nach mehreren Anrufen will sie schon fast aufgeben. Wir haben eine schlechte Zeit erwischt, in Parma ist irgendeine Landwirtschafts- oder Nahrungsmittelmesse, so richtig haben wir es nicht verstanden.

Während sie weiter telefoniert kommt ein aufgeregt gestikulierender Italiener herein und versucht uns in italienisch etwas zu sagen. Irgendwie verstehen wir, dass es um unser Flugzeug geht. Micha geht mit ihm mit. Nachdem es doch noch mit einem Zimmer in einem Hotel geklappt hat, lasse ich mir die Adresse aufschreiben und gehe zurück zum Vorfeld. Ich sehe gerade noch wie Michael und der Italiener unser Flugzeug zurückschieben. Auf meinem Weg zur Maschine merke ich schon, dass der Wind stark aufgefrischt hat. Am Flugzeug erzählt mir Michael dann, dass sich die „IS“ selbständig gemacht hat. Sie war durch den Wind über das gesamte Vorfeld getrieben worden und auf der gegenüberliegenden Seite im Gras stehen geblieben. Zum Glück stand kein anderes Flugzeug auf der Abstellfläche, eine Beschädigung wäre sehr wahrscheinlich gewesen. Es war uns eine Lehre. Nun dürfen wir auch unsere „IS“ im Gras abstellen und mit unseren Erdankern festmachen. Nachdem wir dies gründlich getan hatten begeben wir uns in die Flughafenbar. Wir gönnen uns einen ordentlichen Cappuccino, der ist nach diesem Flug mehr als verdient.

Als nächstes gilt es zu klären wie wir in die Stadt nach Parma zu unserem Hotel gelangen. Ich spreche einen jungen Man mit seiner Freundin an. In mehr oder weniger gutem Englisch kommen wir ins Gespräch. Recht unkompliziert bieten uns die beiden an mitzufahren. Gemeinsam fahren wir 20 Minuten später mit dem Fiat Uno des jungen Pärchens in die Stadt. Micha und ich sind beeindruckt, die kleine Italienerin schnattert ohne Ende. Micha hat eine würdige Gegnerin gefunden. Sie erzählt uns alles mögliche und lacht zwischendurch immer wieder.

Je näher wir dem Stadtzentrum kommen, um so mehr Polizisten (oder Carabinieri) sind auf den Straßen zusehen. Für unsere Italienerin ein neues Stichwort, blumig wird über die Unfähigkeit und Verkehrsbehinderung durch die Polizei berichtet. Wir fahren gerade in einer Hauptstraße, als wir in einen Stau geraten. Für uns sehr interessant, wohin man in die anderen Autos auch schaut, in den meisten wird geschimpft und gestikuliert. Wir kommen an eine Kreuzung, das Linksabbiegen ist verboten. Vor uns auf der Kreuzung ein Polizist, der ohne Aussicht auf Erfolg versucht den Verkehr zu regulieren. Nun das Erstaunliche: Obwohl wir dort nicht abbiegen dürften, hält der Polizist den Gegenverkehr an und gibt uns, auf das Schild weisend Vorfahrt. Der Versuch solche Situationen zu verstehen ist zum Scheitern verurteilt. Michael und ich haben keinen Zweifel über die Reaktion eines deutschen Polizisten in dieser Situation.

Unser junges Paar setzt uns genau vor unserem Hotel am Bahnhof ab. Wir bedanken uns nochmals und tauschen unsere Adressen aus, dann müssen die beiden weiter. Wir gehen zur Rezeption und holen unseren Zimmerschlüssel. Das Hotel zu beschreiben wäre Verschwendung, es ist teuer und schmutzig, eine richtige Absteige Wir duschen wie die Hanghühner in einer kleinen Sitzbadewanne, ein Bein auf dem Sitz , das andere 20 cm tiefer. Egal, es ist eine Wohltat. Zwischenzeitlich ist es so gegen 19.00 Uhr und wir brechen auf zu einer kurzen Stadtbesichtigung. Parma hat einige wirkliche schöne Bauten zu bieten. Michael ist zum ersten Mal in Italien, er ist echt begeistert. Neben den vielen geschichtsträchtigen Bauwerken stechen in Italien natürlich auch die vielen gut aussehenden Italienerinnen ins Auge. Insbesondere fällt auf, dass es nicht so viele dicke Menschen gibt.

Nachdem wir genug gesehen haben suchen wir uns eine ordentliche Pizzeria und gönnen uns ein opulentes Mahl, Parmaschinken natürlich eingeschlossen. Am späten Abend, mit ein paar guten Gläsern Wein in uns, machen wir uns auf den Heimweg. In einem Park, keine 20 Meter von unserm Hotel entfernt setzen wir uns auf einen Brunnen und rauchen noch eine Zigarette. Wir sitzen keine 5 Minuten, als ein Streifenwagen der Carabinieri vorfährt und uns ein Polizist in Zivil kontrolliert. Wir zeigen unsere Ausweise und der Mann ist zufrieden, wir sind dennoch etwas beeindruckt. Nach diesem Erlebnis gehen wir in unser Hotel. Vor dem Einschlafen rufen wir noch schnell zu Hause an, wir erzählen kurz unsere Erlebnisse und teilen unsere Absichten für den kommenden Tag mit. Mit Roland Scheffel besprechen wir noch das aktuelle Wetter und die weiteren Entwicklungen.
 

Dritter Tag, Elba
 


Buslinie 11

Wir stehen gegen 07.30 Uhr auf. Schnell sind die Sachen gepackt und wir verlassen das unfreundliche „Hotel“. Um die nächste Ecke finden wir eine Bar, in der wir ein kleines Frühstück mit Cappuccino einnehmen. Um Geld zu sparen wollen wir mit dem Bus zum Flughafen fahren. Ich verständige mich mit einem Italiener und er ist so nett, mich zum Verkaufsbüro für die Fahrkarten zu begleiten. Nachdem er dem Verkäufer erklärt hat wohin wir wollen, erhalte ich zwei Tickes für die Linie 11. Gemeinsam gehen wir zur Haltestelle, die zu finden kein Problem ist. Nach 5 Minuten kommt der erste Bus mit der Nummer 11. Sicherheitshalber fragt Michael noch mal den Fahrer, der schüttelt nur den Kopf und gibt ihm zu verstehen, wir müssten mit einer anderen Linie 11 fahren. Wir warten weiter. Nachdem wir so nach 20 Minuten freimal einen Bus der Linie 11 davonfahren lassen mussten, weil uns jedes Mal gesagt wurde, es sei ein anderer, entschließen wir uns doch ein Taxi zu nehmen.

Gegen 09.00 Uhr erreichen wir den Flugplatz, schnell sind die Formalitäten erledigt und die Abstellgebühren bezahlt. Auch hier machen wir die Erfahrung: erfreulich preiswert. Da wir am Vortag nicht mehr tanken konnten rollen wir zur Tankstelle beim alten Tower. Wir müssen etwas warten, eine gute Gelegenheit für mich, mir die abgestellten UL’s anzusehen. Sehr ordentliche UL’s vom Typ Storch. Während wir warten, treffen wir auf einen dieser Piloten, ein älterer Mann. Er fragt uns nach unserem Ziel. Als wir ihm Tunis nennen schlägt er die Hände über seinem Kopf zusammen, dreht sich um und geht.

Respekt vor den Apenninen

Bei der gestrigen Vorbereitung auf diesen Flug hatten wir uns, entsprechend der aktuellen Wetterlage entschlossen, den relativ sicheren Weg über Genua zu wählen. Für uns bedeutet dies zwar ca. 300 Km Umweg, wir wollen aber auf jeden Fall heute Elba erreichen. Ich setze mich ans Steuer und los geht es. Im Süden zeigen sich die Apenninen, sie tragen den gleichen grauen Schleier wie am Vortag. Wir wissen, es ist die Staubewölkung der feuchten kondensierten Mittelmeerluft, die von Süden den Berg hochzieht.

Ich drehe kurz nach dem Start nach Westen und verlasse den Flugplatzbereich. Es geht entlang der Autobahn in Richtung Piacenzia. Wir melden uns bei Piacenzia Approach und erbitten eine Durchfluggenehmingung auf der eingezeichnet VFR-Route. Kein Problem, wir werden lediglich in unregelmäßigen Abständen nach unserer Position gefragt. Etwa 10 km entfernt passieren wir den Militärflughafen Piacenzia im Norden. Wir überfliegen die Stadt und drehen leicht nach Süden ab. Nachdem wir die Kontrollzone hinter uns gelassen haben wird es ernst. Um etwas abzukürzen haben wir uns entschlossen, das Tal nach Genua schräg von Osten her anzufliegen, so dass wir etwa auf dem halben Weg zwischen Tortona und Genua auf die Autobahn treffen.

Nun geht es also wieder in die Apenninen, seit gestern haben wir enormen Respekt vor diesem Gebirge. Langsam steigt unter uns das Gelände an, wir steigen mit. In Flugrichtung bemerken wir die ersten Wolken, sie liegen teilweise auf den Gipfeln auf. Die Berge die vor und neben uns liegen haben eine durchschnittliche Höhe von 4000-5000 ft, also etwa 1200-1500 Meter. Der Apennin beeindruckt uns beide durch seine Größe. Eine wirklich beeindruckende Landschaft, in den Tälern unter uns sind viele Flüsse zu sehen. Ihre ausgetrockneten Flussbetten führen zeitweise scheinbar enorme Schmelzwassermengen und nehmen dabei augenscheinlich viel Gestein und Geröll mit.

Genua - Tiefflug, Turbulenzen und die Brücke

Zurück ins Flugzeug, wir fliegen in etwa 3500 ft QNH, die Wolken über uns erzeugen leichte Thermik, die Turbulenzen halten sich jedoch im erträglichen Rahmen. Michael darf heute am eigenen Leib erfahren, wie schwierig die Navigation in diesem bergigen Gelände ist, ich stelle bei ihm wachsendes Verständnis für meine Situation gestern fest. Ich bemerke das, als ich ihn nach der Höhe der vor uns liegenden Berge frage. Es ist äußerst schwierig, einzelne Berge oder Täler sicher zu identifizieren. Etwa bei Arquanta Scrivia treffen wir auf die Autobahn nach Genua, eine sichere Navigationshilfe und die Gewissheit, im richtigen Tal zu sein.

Ich folge der Autobahn, noch kann ich es mir leisten, oberhalb des Tales über den seitlichen Bergen zu fliegen, doch je weiter wir nach Süden kommen, um so mehr sinkt die Wolkenbasis und liegt schließlich auf den hier noch ca. 2000 ft (600 Meter) hohen Bergen auf. Wir sind gezwungen ins Tal zu fliegen, dessen Sohle 200 - 300 Meter tiefer liegt. Die Turbulenzen nehmen zu. Wir haben unseren Pflichtmeldepunkt für Genua erreicht. Michael setzt professionell unsere Meldung ab, ich habe hierfür in diesem Moment auch keinen Draht. Wir fliegen in einem ca. 300-500 Meter breitem Tal, links und rechts neben uns sind schon Dörfer und Straßen, es ist turbulent und die Wolken sinken in Flugrichtung weiter ab. An eine Umkehr an dieser Stelle möchte ich nicht denken. Genua Approach hat uns jedoch in seiner Wettermeldung eine akzeptable Wolkenuntergrenze und Sicht größer 10 km gegeben. Wir können also hoffen.


Jürgen im Tiefflug bei Genua

Ich muss weiter sinken, Michael macht ein paar Fotos, er ist begeistert von dem Anblick obwohl auch er den Ernst der Situation durchaus erkennt. Ich bin jetzt noch ca. 150 Meter über der Talsohle, d. h. die Häuser rechts und links sind zum Greifen nahe. Ich muss mit vollen Ruderausschlägen heftigen Turbulenzen entgegenwirken. So bin ich noch nie geflogen, es ist beeindruckend. Die Häuser nehmen allmählich zu unter uns, das Tal wird breiter und vor uns taucht eine große Brücke auf die quer zu unserer Flugrichtung liegt. Ich überfliege deren hohe Konstruktion mit ca. 30 Metern, nicht aus Spaß sondern weil die Wolken hier so tief sind.

Küste, Meer und Sperrgebiete

Geradeaus in Flugrichtung wird es hell, fast zeitgleich erblicken wir das Mittelmeer. Ein Freudenschrei geht durch unsere Kabine. Ich schieße hinaus auf die See und drehe nach Osten. Nun fliegen wir entlang der Küste und können Genua in seiner vollen Schönheit betrachten und genießen. Wir sehen den riesigen Hafen und die vielen Passagierschiffe, in denen sich die Urlauber vergnügen. Sehr zu unserem Bedauern ist unser Film in der Kamera aufgebraucht, erst nachdem wir Genua passiert haben können wir wieder fotografieren. Nun ist Fliegen wieder Fun. Entlang der Küste geht es entsprechend den Pflichtmeldepunkten der Genua CTR nach Sestri Levante. Beide sind wir uns im klaren, dass wir nun auf ein Problem zufliegen. Vor uns liegen D 37, P2 und P3, also Gefahren und Verbotsgebiete. Ein Ausweichen und Umfliegen nach Norden ist wegen der Wolken unmöglich, nach Süden bedeutet es einen Umweg von fast 150 km über die offene See, also bleibt uns nur ein Weg: wir müssen D 37 durchfliegen.

Als wir etwa in Höhe Levanto sind meldet sich mit hektischer Stimme der Controler von Pisa Approach und teilt uns mit, dass wir auf die Prohibited und Danger Areas vor La Spezia zufliegen. Wir bestätigen und bitten um eine Freigabe zum Durchflug. Darauf werden wir auf die militärische Frequenz von Sarzana Control verwiesen, Informationen über die Aktivität dieses Gefahrengebietes sind von Pisa Approach auch nicht zu erhalten. Wir quittieren also seine Meldung und schalten um auf die Frequenz von Sarzana. Wir hören italienische Worte. Michael versucht einen Anruf in englisch, wir erhalten keine Antwort. Wir entschließen uns, eine Blindmeldung abzusetzen und fliegen weiter entlang der Küste. Sehr aufmerksam beobachten wir die Umgebung und den Luftraum. Links neben mir verläuft die Küste, wir sind etwa 1000 ft über der See. Als wir uns der Landzunge südlich von La Spezia nähern, bemerken wir auf dem Berg ca. 500 Meter entfernt eine Radarstation der Armee. Michael macht ein paar Fotos, ich äußere meinen Unmut, denn mit einem normalen Fernglas könnte man in unser Cockpit sehen, dies würde uns sicher nicht gut bekommen. Hinter der Landzuge drehe ich leicht nach rechts um in den freien Sektor zwischen P2 und P3 zu gelangen, geschafft, wir sind raus. Es geht weiter über Massa entlang der Küste Richtung Süden, nach Viareggio.

Kurz bevor wir den Ort erreichen sehen wir nordöstlich von uns das beeindruckende Massiv der Apenninen von der Südseite. Im Landesinneren ist die Bewölkung gewichen und gewährt uns so den Blick auf die schneebedeckten Gipfel dieses von uns doch unterschätzen Gebirges.

Küstenflug - Pisa, Livorno

In Viareggio melden wir uns wieder bei Pisa Approach, wir bekommen eine Durchfluggenehmigung entlang der Küste auf der offiziellen VFR- Route. Gemütlich fliegen wir in 1000 ft AGL entlang der Küste, im Osten sehen wir Pisa an uns vorbeigleiten, leider jedoch den schiefen Turm nicht. Im Funk merken wir, dass hier offensichtlich ein sehr reger Luftverkehr herrscht. Ich achte aus diesem Grund auch sehr genau auf die Einhaltung der Höhe, denn schließlich durchqueren wir bei Livorno den Anflugsektor von Pisa.

Dennoch bleibt genug Zeit den Hafen zu betrachten und interessante Bauwerke zu entdecken. In ca. 2 km Entfernung sehen wir einen Jet in den Endteil auf Pisa eindrehen, er hat unsere Höhe. Bei Castiglioncello verlassen wir die Kontrollzone Pisa und verabschieden uns. Wir bekommen als weiteren Ansprechpartner Roma Information zugewiesen. Wir sehen jedoch keine Veranlassung uns dort zu melden, unsere bisherigen Erfahrungen mit Infofrequenzen in Italien sagen uns, dies bringt nichts. Wir schalten zwar auf die entsprechende Frequenz, melden uns aber nicht.

Zwischenzeitlich bin ich auf unseren neuen Kurs gegangen, wir haben uns entschieden, Elba direkt übers Wasser anzufliegen, es sind ca. 65 km. Uns fällt beiden ein, dass wir unsere Schwimmwesten hinten verstaut haben, da liegen sie gut. Als wir heute Morgen starteten, dachte keiner von uns an den Wasserüberflug. Wir haben bestes Wetter und eine gute Sicht, doch Elba sehen wir noch nicht. Je mehr wir uns von der Küste entfernen, um so aufmerksamer muss ich auf die Querlage achten. Ein Blick zur Küste ist in dieser Situation sehr hilfreich. Langsam zeichnet sich Elba ab, rechts neben uns, wir halten es zuerst für Korsika, sehen wir die Insel Capraia im Dunst. Zunächst sind wir beide von Elba überrascht, wir hatten ein kleines Inselchen erwartet, vor uns breitet sich jedoch eine recht große Insel mit sehr respektablen Bergen aus. Micha ist von dem Wasser unter uns und den vielen Farbschattierung ganz begeistert und macht gleich mehrere Fotos.

Überraschungsanflug auf Elba

Noch 10 NM bis Elba, Micha macht wieder den Funk, er kann es ohnehin besser als ich und außerdem hat er im Moment nichts zu tun. Wir hatten uns zuvor darauf verständigt, dass der Funk in der Platzrunde bzw. im Anflug jedoch immer vom Piloten geführt wird. Wir melden uns an, Elba gibt uns die aktuelle Bahn und die Windverhältnisse. Nachdem Michael das Anflugblatt herausgesucht hat, bereite ich mich auf den Anflug vor. Ein kurzer Blick aufs Anflugblatt und ich denke alles klar, kein Problem. Ich fliege also genau auf den ersten Pflichtmeldepunkt zu. Wie im Anflugblatt vorgegeben erreiche ich den zweiten Pflichtmeldepunkt Guardiol in 1200 ft. Vor uns liegt ein Berg, ich weiß, dahinter muss der Flugplatz sein.

Plötzlich sehen wir durch ein Seitental ein Stück der Bahn. Ich sehe Micha an und sage noch zu ihm , wie sollen wir denn da je hinunter kommen. Wir sind noch ca. 1 km von dem Berghang vorm Flugplatz entfernt, Micha überprüft noch einmal im Anflugblatt den genauen Einflugpunkt. Ich entschließe mich über eine Absenkung auf dem Kamm des Berges zu fliegen, dies entspricht einer Höhe von ca. 700 ft. Mit Überflug des Bergrückens in ca. 15 Meter über Grund sehen wir den Flugplatz vor uns. Jetzt heißt es keine Zeit zu verlieren. Die im Anflugblatt vorgegebene Sinkrate von 620 ft/min (ca. 3m/s) reicht nicht ganz. Wir haben schwachen Wind und brauchen somit noch etwas mehr. Für derartige Anflüge scheint jedoch die „IS“ gemacht zu sein, mit Klappenstellung 30 Grad und ¾ ausgefahrenen Bremsklappen ist es kein Problem für uns am Bahnanfang aufzusetzen. Dennoch, ich bin froh unten zu sein. Micha neben mir ist ganz begeistert, von diesem Anflug und von der Insel.

Rückblickend muss ich sagen, es ist eigentlich kein Problem in Elba zu landen, es war für uns nur mit diesem Überraschungseffekt verbunden, die Bahn ist erst relativ spät zu sehen. Man sieht die Schwelle eben erst im „One Mile Final“ und dann wird es Zeit. Eine etwas intensivere Beschäftigung mit dem Anflugblatt hätte sicher auch dazu beigetragen den Überraschungseffekt zu entschärfen, schließlich ist die angegebene Sinkrate auch nicht so alltäglich.


Nach der Landung auf Elba
 

Marina di Campo, Urlaubsstimmung

Wie dem auch sei, wir sind ordentlich und sauber in Marina di Campo gelandet. Wir rollen zum Vorfeld und tanken unsere „IS“. Wir haben herrliches Wetter und sind von der Insel, ihren hohen Bergen und natürlich vom Anflug ganz begeistert. Schnell sind die Formalitäten erledigt. Ich fülle wieder diese riesigen Formulare aus, zwischenzeitlich geht mir dies schon wesentlich zügiger von der Hand als noch in Bozen. Wir entschließen uns auf Elba zu bleiben und stellen unsere „IS“ auf einer Wiese neben ein paar anderen Einmots ab. Schnell sind wir uns einig und kehren in eine Kneipe gleich neben dem Flugplatz ein. Es riecht herrlich und wir gönnen uns ein wirklich gutes italienisches Mittagessen. Unsere Hochstimmung wird lediglich durch eine deutsche Reisegruppe getrübt, deren vorwiegend ältere Reisende unbedingt sehr laut, falsch und andauernd deutsche Volkslieder singen müssen. Erst das mehrfache Hupen des Busfahrers befreit uns.

Bei einem guten Wein wollen wir nicht mehr aufstehen. Es ist zu angenehm. Noch ein Cappuccino und gegen 14.30 Uhr raffen wir uns auf. Mittelmeer ist angesagt. Am Flieger holen wir die notwendigen Sachen, dann gehen wir ca. 3 km nach Marina di Campo. Wir finden einen herrlichen Sandstrand, es ist jedoch niemand im Wasser. Der erste Fußkontakt macht uns klar warum, es ist noch verdammt kalt. Am Strand entlang laufen wir zum Ortszentrum. Die schönen, kleinen Häuser, ob alt oder neu, gefallen uns. Es ist nicht so überfüllt, ich vermute im Sommer ist es hier nicht ganz so angenehm, mehr Touristen. Nach einem Bummel durch das Zentrum gönnen wir uns wieder einen Cappuccino . Urlaubsstimmung macht sich breit, während wir uns mit einigen deutschen Touristen unterhalten.

Zwischenzeitlich ist es so 17.00 Uhr und wir machen uns Gedanken über unsere Übernachtung. Micha ist ganz versessen darauf, nun endlich sein neues Zelt zu benutzen. Wir kaufen in einem Lebensmittelgeschäft noch schnell etwas ein für den Abend, dann geht es die drei Kilometer zurück zum Flugplatz. Wir wenden uns an die Luftaufsicht und fragen, ob es denn möglich sei, dass wir neben unserem Flugzeug zelten. Um Gottes willen, das geht natürlich nicht, wird uns gesagt, schließlich sei man ein internationaler Flughafen. Obwohl dieser kleine Flugplatz eher einen verschlafenen Eindruck hinterlässt, kommen wir gegen diese Argumente nicht an.

Wir gehen also zurück zu unserem Flieger und laden die notwendigsten Dinge für die Nacht aus. Wie zwei Lastesel bepackt verlassen wir den Flugplatz wieder und machen uns auf die Suche nach einem geeigneten Flecken. Natürlich hätten wir am liebsten am Meer gezeltet, die drei Kilometer schreckten uns dann aber doch ab, zumal wir sie am kommenden Morgen noch einmal hätten hinter uns bringen müssen. Nach langem hin und her finden wir dann endlich ein akzeptables Plätzchen in einem Wäldchen. Da wir beide vermuten, dass wildes Campen nicht gestattet ist, warten wir mit dem Zeltaufbau bis es dunkel wird.

Inzwischen gönnen wir uns ein ordentliches Abendessen bestehend aus Salami, Brot, Obst und viel Lambrusco. Das letzte Tageslicht wird genutzt um unser Reisetagebuch auf den aktuellen Stand zu bringen, dann noch ein paar kurze Anrufe zu Hause um unser aktuelle Situation mitzuteilen und um uns über die Wetterentwicklung der kommenden Tage zu informieren. Schnell und problemlos bauen wir unser Zelt auf und liegen keine 15 Minuten später darin. Nachdem wir unseren Lambrusco geschafft haben rollen wir uns in unser Schlafsäcke. Ich kann in dieser Nacht nicht so richtig schlafen, mich beeindrucken vor allem die Vögel, sie sind wie die Italiener selber, sie schnattern die ganze Nacht hindurch.
 

Vierter Tag, Sardinien
 


Morgentoilette

Gegen 07.00 Uhr stehen wir auf, beide haben wir recht schlecht geschlafen. Ich wurde ständig von dem Gezwitscher munter, Michael ist auf dem harten Boden - wir haben weder Isomatten noch Luftmatratzen - bald gestorben. Die größte Tagesherausforderung steht uns noch bevor, Michael hatte gestern eine Flasche Mangosaft für den Morgen mitgenommen, nun müssen wir uns damit die Zähne putzen, eine Ekligkeit ohne Gleichen. Nachdem wir auch das überstanden haben packen wir unsere Sachen und laufen zurück zum Flugplatz.

Hier herrscht bei unserem Eintreffen gegen 07.45 Uhr noch verschlafene Ruhe, kein Mensch zu sehen. Wir warten bis gegen 08.00 Uhr. Dennoch, das Flughafengebäude ist offen, wir nutzen die Gelegenheit und machen uns auf der Toilette frisch und einigermaßen ansehnlich. Ein paar deutsche Piloten kommen und wir unterhalten uns, sie waren mit Cessnas auf einem Ausbildungsflug und wollen nun zurück nach Deutschland. In der Zwischenzeit hat die Flughafenbar geöffnet und wir können gemütlich frühstücken. Nach dem Frühstück bereiten wir uns auf die Tagesetappe vor. Wir lassen uns die TAF’s von Olbia und Cagliari geben, mehr liegt sowieso nicht auf unserem Kurs. Wir begleichen unsere Abstellgebühren und Landeumlagen, auch hier angenehm preiswert und mit Karte zu bezahlen.

Über dem Meer

Da am Wochenende das große Luftsperrgebiet zwischen Italien und den Inseln Korsika und Sardinien nicht aktiv ist, entschließen wir uns, direkt von Elba übers Meer nach Olbia und von dort, je nach Spritsituation, weiter bis Cagliari zu fliegen. Wir beladen unseren Flieger und starten gegen 10.05 Uhr Ortszeit in Elba. Dieses Mal haben wir jedoch nicht vergessen unsere Schwimmwesten anzulegen. Unser Notsender liegt für alle Fälle bereit und befreit uns auch diesmal von der Aufgabe eines Flugplanes. Man kann geteilter Meinung darüber sein, in wieweit die Flugplanaufgabe Sinn macht. Wir gingen bei unserem Verzicht davon aus, dass wir in einer Notsituation mit Wasserung noch genügend Zeit für eine Meldung hätten. Mit dem Notsender fühlen wir uns jedenfalls sicherer als mit der Gewissheit, dass nach einer Überfälligkeitszeit mal langsam jemand mit Nachforschungen beginnt.

Nachdem wir die 5 NM Radius von Elba verlassen haben verabschieden wir uns von Elba Tower. Der Empfehlung, uns bei Roma Information zu melden, kommen wir nicht nach. Ein toller Start aufs Meer hinaus, wir drehen in der Bucht von Marina di Campo noch einen Abschiedskreis, dann geht es Richtung Isola Pianosa, die genau auf unserm Kurs liegt. Michael fliegt den heutigen Streckenabschnitt. Wir überfliegen Pianosa und halten Ausschau nach dem in der Karte eingezeichneten Platz, wir können ihn nur erahnen, er scheint zerfallen zu sein. In unseren Karten ist er jedoch als nutzbar eingezeichnet. Auch wissen wir zu diesem Zeitpunkt nicht, dass diese Insel ein Gefängnis beherbergt und der Überflug verboten ist. In unseren Unterlagen ist dies nicht ersichtlich und auch in Elba erhielten wir hierüber keine Auskunft. Zu diesem Zeitpunkt denken wir nicht daran, dass die Isola Pianosa Schauplatz eines Buches ist, welches uns beide sehr beeindruckt hat. Es ist das Buch „Der IKS Haken“.


Die Gefängnisinsel Pionosa, Schauplatz von "Der IKS Haken"

Pianosa ist ca. 25 NM (gut 45 km) von Korsika entfernt, zunächst sehen wir nur die Wolken und erahnen mehr oder weniger die große Insel. Wir fliegen im flachen Winkel auf die Küstenlinie von Korsika zu, und drehen bei einem seitlichen Abstand von ca. 10 NM (18 km) auf Parallelkurs. Diesen Punkt erreichen wir ca. 30 Minuten nach unserem Start in Elba. Wir fliegen jetzt in einer Höhe von 5000 ft, die Sicht ist gut und die Küstenlinie erleichtert das Halten der Fluglage. Ab und zu vereinzelte Schiffe in unserer Nähe. Ich checke während des Fluges über dem Wasser alle 5 Minuten unser Position. Zwar haben wir das GPS, eine echte Hilfe, doch ich möchte mich nicht nur auf ein System verlassen. Ich peile daher wechselnd zwischen Bastia VOR und Figari VOR. Die Reichweite dieser VOR’s (gerichtete Funkfeuer) über dem Wasser erstaunt uns. Wir fliegen weiter Richtung Süden und halten uns dabei im italienischen Luftraum, gleich westlich von uns liegt ein französisches Beschränkungsgebiet, über das wir keine Informationen besitzen. Je tiefer wir nach Süden kommen, um so mehr zieht sich die Küstenlinie von Korsika zurück. Unsere Entfernung zur Küste beträgt jetzt fast 25 NM, dennoch haben wir Sichtkontakt.

Pilot’s Decision

Etwa 1 ½ Stunden nach unserm Start in Elba gehen wir in Höhe der Südspitze Korsikas auf einen westlicheren Kurs. Unser Ziel ist der VFR- Pflichtmeldepunkt Ferro. Wir melden uns bei Olbia Approach und erhalten unsere Freigabe für den Durchflug. Vor uns breitet sich ausgedehnte Schichtbewölkung aus. Die Frage ist: darüber oder drunter durch? Um nicht über unbekanntem Gelände Gefahr zu laufen die Bodensicht zu verlieren würde ich versuchen unter die Wolken zu gehen. Micha hat offensichtlich die gleiche Überlegung angestellt und geht in den Sinkflug über.

Näher kommend, und jetzt schon unter den Wolken, erkennen wir, dass die Bewölkung auf einem ca. 5 NM vor dem Flughafen liegenden, ausgedehnten Höhenzug aufliegt. Nach kurzem Zögern entschließt sich Michael nach Osten, parallel zum Berg, abzudrehen und im Steigflug die Wolkendecke zu durchstoßen, um dann den Anflug entlang der genehmigten VFR- Route fortzusetzen. Ich bin mit diesem Manöver nicht einverstanden, die Wolkenuntergrenze liegt bei ca. 1000 ft und meiner Meinung nach wäre es problemlos möglich, nach Meldung an Olbia Approach auf diese Höhe zu sinken und den Berg östlich zu umfliegen. Ein Anflug nach Olbia über das Wasser und mit Bodensicht wäre mir wesentlich sympathischer.

Dies sollte auch die einzige Situation auf unserem Flug sein, bei der unsere Meinungen völlig konträr waren. Es gab in dieser Situation aber auch nicht all zu viel Zeit die Sache auszudiskutieren, ich sagte kurz meine Meinung, ansonsten haben wir die jeweilige Kommandogewalt durchaus respektiert. Das bedeutet, dass der jeweilige Pilot alleinverantwortlich entscheidet, der jeweilige Kopilot muss dies dann respektieren, auch wenn es zuweilen schwer fällt. Wie schon geschrieben, im Wesentlichen lagen unsere Entscheidungen und Einschätzungen schon recht nah beieinander.

Wir drehen also nach links und steigen, in Richtung offenes Meer, durch die Wolkendecke, nach ca. 2 Minuten sind wir on top.

Berge und Wolken

Micha meldet unsere Situation und geht erneut auf Kurs nach Olbia. Mit 2000 ft überfliegen wir den Flughafen in Platzmitte. Unter uns eine 6/8 Wolkendecke. Schnell mache ich über dem Flugplatz ein paar Fotos. Fast gleichzeitig entdecken wir die herrliche Insel Tavolara, eines der herrlichsten Motive, die wir auf dem ganzen Trip zu sehen bekommen sollten. Über dem Berg der Insel, wie eine Mütze gestülpt, liegt eine Wolke. Nachdem wir auch hier ein Foto gemacht haben geht es über den Pflichtmeldepunkt Coda Cavallo weiter, entlang der Ostküste von Sardinien Richtung Süden, nach Posada. Hier melden wir dann um 12.19 Uhr local das Verlassen der Kontrollzone Olbia. Ich berechne unseren Spritverbrauch und ob wir es bis Cagliari schaffen würden. Der starke Gegenwind, wir hatten es schon an der im GPS angezeigten Groundspeed gesehen, lässt uns nicht so recht vorwärts kommen. Wir entschließen uns, eine nochmalige Berechnung kurz vor Tortoli zu machen, dort könnten wir bei Bedarf landen. Michael spekuliert sehr auf diese Landung, seit einer Stunde liegt er mir mehr oder weniger in den Ohren, er müsse unbedingt auf eine Toilette.


...entdecken wir die herrliche Insel Tavolara,
eines der herrlichsten Motive, die wir auf dem ganzen Trip
zu sehen bekommen sollten...

Wir fliegen weiter entlang der Küstenlinie in 5000 ft, on top. Wir haben ein wechselnden Bedeckungsgrad von 4 - 7 okta. Die mächtigen Bergen neben uns beeindrucken uns tief und wir müssen feststellen, beide nicht gewusst zu haben, welche riesigen Massive auf diesen Inseln anzutreffen sind. Neben den Bergen fasziniert uns vor allem auch die Farbenprächtigkeit des Wassers.

Gegen 13.00 Uhr erreichen wir Tortoli, ich berechne nochmals unsere Spritreserven und stelle fest, wir können weiter bis nach Cagliari- Elmas. Michael ist nicht unbedingt böse über diese Mitteilung, zwar steht im das Wasser Oberkante Unterlippe, aber die vor uns liegende Bahn verheißt mit ihrer Ausrichtung zum Meer und zum aktuellen Wind nichts gutes. Mit Sicherheit hätten wir eine Seitenwindkomponente, die unserer an dieser Stelle sehr empfindlichen, „IS“ sehr zu schaffen gemacht hätte. Wir fliegen also weiter und gehen über Tortoli auf einen neuen Kurs Richtung Südwest. Dabei versuchen wir so genau wie möglich zu fliegen, schließlich müssen wir durch eine Lücke zwischen zwei Beschränkungsgebieten. Wir fliegen weiterhin mit 4000 ft unter uns nur Berge, ab und zu schaut eine Wetter- oder Sendestation durch die Wolken. Weiter geht es, immer parallel zur Grenze eines Verbotsgebietes bis zum See Mlargia. Nachdem wir ihn passiert haben fliegen wir direkt auf Cagliari zu. Unter uns wird das Land flacher, die Berge weichen zurück. Schon aus großer Entfernung können wir den riesigen Militärflugplatz Decimomannu sehen, es sind noch ca. 10 NM bis Cagliari, wir beginnen mit dem Abstieg.

Cagliari, billige Zimmer - teure Taxis

Wir melden uns bei Cagliari Approach und bekommen unsere Einfluggenehmigung. Es ist ein großer Flughafen auf einer Insel in der Bucht vor Cagliari mit einer riesigen Bahn. Die Wolken sind auf den letzten 20 NM gewichen, es ist lediglich dunstig. Wir landen 13.42 Uhr auf dem Flughafen von Cagliari- Elmas. Vom Tower bekommen wir die Anweisung, wie wir zum Tanken zu rollen haben, offensichtlich haben wir eine schlechte Zeit gewählt, es hat niemand so recht Lust uns Sprit zu geben. Schließlich bekommen wir die Mitteilung, am nächsten Tag tanken zu können.

Wir lassen uns eine Abstellposition zuweisen und rollen dorthin. Unsere Erfahrungen aus Parma lassen uns zunächst nach Verankerungsmaterial suchen, denn wir stehen mitten auf dem Vorfeld, auf Beton und es weht ein starker Wind. Nach einigen Minuten finden wir einen Haufen mit Kiessäcken, gemeinsam holen wir die notwendige Anzahl und machen unser Flugzeug fest. Vor uns stehen zwei deutsche 2-Mots und einige große Verkehrsflieger. Nachdem unser Flugzeug gesichert ist entnehmen wir die notwendigsten Sachen und machen uns auf den Weg zur Luftaufsicht. Dies gestaltet sich äußerst schwierig, erst nach 20-minütigem Umherirren im Flughafengebäude finden wir das entsprechende Büro. Freundlich werden wir empfangen und füllen die üblichen Papiere aus. Wir erkundigen uns nach unserer Ein- und Überfluggenehmigung für Tunesien, hiervon hat jedoch niemand etwas gehört. Wir gehen noch schnell beim Wetter vorbei, leider erhalten wir auch hier keine Vorhersage.

Nachdem wir somit alles erledigt haben gehen wir ins Terminal, um uns an einem Schalter eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Es ist jedenfalls viel leichter das Touristikbüro zu finden, als die Luftaufsicht. Wir treffen auf eine nette ältere Angestellte die sich redlich bemüht, etwas passendes zu finden. Nach zehn Minuten teilt sie uns mit eine günstige Übernachtung gefunden zu haben. Unsere Unerfahrenheit fällt uns hier auf die Füße, die Unterkunft ist zwar günstig, wir haben aber nicht nach der Entfernung gefragt, dies sollte sich rächen. Ein Taxifahrer bringt uns zu einer Pizzeria mit Zimmervermietung, wir fahren fast 25 Minuten und bezahlen für diese Strecke ca. 40 DM. Ich glaube, wir fuhren mindestens 40 Km zurück in Richtung Berge.

Südliche Lebensart

Unser Doppelzimmer über der Pizzeria ist jedenfalls sehr ordentlich und kein Vergleich zu Parma. Nach einer ausgiebigen Dusche gönnen wir uns eine Siesta. Zuvor muss jedoch noch schnell „große Wäsche“ abgehalten werden. Die wenigen Sachen, die wir bei uns haben, machen dies notwendig. Zudem zeichnen sich immer wieder merkwürdige, blaugrüne Streifen auf meinen T-Shirts ab, wahrscheinlich von den Gurten unserer „IS“. Als wir gegen 19.30 Uhr in der Pizzeria essen wollen erfahren wir, was es heißt, im Süden zu sein: Abendessen erst ab 21.00 Uhr. Es bleibt uns also noch etwas Zeit für eine kurze Stadtbesichtigung. Gegen 21.00 Uhr gönnen wir uns dann endlich eine große Pizza. Uns erstaunt, wie viele kleine Kinder, ca. 3-4 Jahre, um diese Zeit noch in der Pizzeria zu sehen sind.

Bei einem guten Wein besprechen wir den nächsten Tag und beschließen, direkt nach Tunis zu fliegen. Ich hatte zunächst wegen der sehr diesigen Wetterlage einige Bedenken, Michael lässt jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass wir fliegen werden. Gegen 23.00 Uhr verlassen wir die Pizzeria, noch vor den Dreijährigen, und gehen in unser Zimmer. Ein paar Telefonate noch, dann schlafen wir beide unter der Wirkung des Weines trotz unserer Gespanntheit auf den Wasserüberflug ein.
 

Fünfter Tag, Mittelmeer
 


Zollformalitäten

Heute ist Montag, der 12. Mai. Wir stehen gegen 06.30 Uhr auf und räumen schnell unsere Sachen zusammen. Ein schneller Cappuccino in der Bar unter unserem Zimmer ist unser Frühstück. Dann unser erstes Problem, wir müssen ein Taxi bestellen, aber wie, niemand versteht hier ein Wort deutsch oder englisch und ein Taxistand ist nicht in der Nähe. Nach ca. 20 Minuten treffen wir endlich auf eine junge Frau, der wir mit Händen und Füßen unser Anliegen verständlich machen, sie ist so nett und telefoniert für uns, um ein Taxi zu rufen. Zehn Minuten später ist alles vergessen, wir sitzen im Taxi zum Flughafen. Unser Taxifahrer ist eine ruhige Natur, dennoch haben wir auf der ca. 40 km langen Strecke genügend Gelegenheit, süditalienisches Autofahrertemperament zu beobachten.

Am Flughafen angekommen begeben wir uns sogleich zur Luftaufsicht. Hier begleichen wir unsere Rechnung für Landung und Abstellen, umgerechnet 16 DM, man könnte sich daran gewöhnen. Von dem freundlichen Herrn erhalten wir zwei Formulare mit denen wir zur Polizei und zum Zoll sollen. Ohne dass sich einer von uns diese Papiere angesehen hätte gehen wir auf die Suche. Es gestaltet sich dank unserer vortäglichen Erfahrung nicht so kompliziert die entsprechenden Büros zu finden. Das ist jedoch nur der halbe Erfolg, die zuständigen Beamten muss man aber auch finden, dies dauert etwas länger. Nachdem wir ihnen unsere Papiere übergeben haben stellen sie uns auf italienisch diverse Fragen, natürlich verstehen wir nichts. Nachdem das Spiel so zehn Minuten geht haben die Herren offensichtlich keine Lust mehr. Sie machen auf die leeren Formulare ihren Stempel und lassen uns gehen. Als wir zurück zur Luftaufsicht kommen ist selbst der dortige Beamte beeindruckt, derartiges hatte er offensichtlich auch noch nicht erlebt. Erst dort sehen wir uns die Dokumente näher an und stellen fest, wir hätten unsere Personalien und Daten des Flugzeuges eintragen müssen, aber es geht ja auch so.

Nachdem wir diesen Teil hinter uns haben geht es zum Flugberatungsdienst und zur Wetterberatung. Wir bekommen, wie zwischenzeitlich gewohnt, keine Voraussage, man teilte uns jedoch mit, dass in Tunis gutes Wetter sei mit Sichten über 10 Km. Beim Flugberatungsdienst weiß immer noch niemand etwas von unserer Ein- und Überfluggenehmigung, diverse Telefonate ändern hieran auch nichts. Man sagte uns, dies sei eigentlich auch kein Problem, wir könnten durchaus fliegen. Wir geben also unseren Flugplan auf und begeben uns zur „IS“.

Technische Probleme

Unbeabsichtigt hatte sich eine Arbeitsteilung bei uns eingeschlichen, ich kümmerte mich um die Technik und die Verankerung, Michael fühlte sich für die Beladung und Vorbereitungen im Cockpit verantwortlich, so auch heute. Ich habe zumindest hier, in Cagliari Elmas, so heißt der Flughafen richtig, die schlechteren Karten. Wegen des recht starken Windes bei unserer Landung, und unseren Erfahrungen aus Parma, hatten wir die „IS“ am Vortag recht sorgfältig gesichert. Die Kiessäcke, mit der wir unser Flugzeug befestigt haben, wiegen alle je ca. 20 kg. Leider ist der Lagerplatz dieser Säcke ca. 200 Meter entfernt, so dass ich richtig ins Schwitzen gerate. Nachdem ich glücklich den letzen Sack weggebracht habe meldet Micha freudig, es sein nun alles klar.

Wir setzten uns ins Flugzeug und rollen, nachdem wir uns die Erlaubnis dafür geholt haben, zur Tankstelle. Offensichtlich haben wir eine günstige Zeit erwischt, denn sofort findet sich ein Angestellter, der unser Flugzeug betankt. Gute Erfahrungen machen wir auch hier mit der Visa-Card, sie wird problemlos akzeptiert, ganz im Gegensatz zu Michaels Euro-Card, die uns zuvor schon mehrfach nicht abgenommen wurde. Nachdem wir dies erledigt haben, rollen wir vor einen alten Blechhangar. Hier wollen wir die „IS“ vor unserem Wasserüberflug noch einmal richtig durchsehen.

Michael hatte mir am Vorabend mitgeteilt, er hätte auf dem letzten Flug den Eindruck bekommen, das Spiel in den Querrudern sei größer geworden, so entschließen wir uns, dies noch einmal gründlich zu überprüfen. Schnell stellt sich heraus, dass die Ursache im Steuerbereich des Cockpits zu suchen ist, tatsächlich hat der Steuerknüppel ca. 3-5 mm Spiel. Uns ist beiden klar, dass wir die konkrete Ursache finden müssen. Nachdem wir die Wartungsunterlagen durchgesehen und einige Prüfungen gemacht haben ist uns auch klar, wo der Fehler zu finden ist. Die Arbeiten gestalten sich jedoch aufwendiger als wir vermutet haben, so bleibt uns nichts weiter übrig, als unseren Flugplan zu verschieben, denn die dort angegeben Zeit ist nicht zu halten. Nach ca. 45 Minuten haben wir die Ursache lokalisiert, das Spiel in zwei Gleitlagern ist größer geworden. Mit unseren begrenzten Mitteln können wir dies aber vor Ort nicht verändern. Das ist zwar unangenehm, aber nicht weiter kritisch. Alle Teile sind gesichert und es besteht keine Gefahr, dass die Steuerung versagen könnte. Wir können also losfliegen.

Michael geht noch einmal um unser Flugzeug und inspiziert die Zelle, ich nehme in dieser Zeit die Motorverkleidung ab und kontrolliere nochmals alles gründlich. Augenscheinlich ist alles in Ordnung, zum Abschluss der Kontrolle drehe ich den Propeller noch einmal durch, plötzlich stutze ich. War da nicht ein Zylinder mit spürbar geringerer Kompression? Ich wiederhole das Ganze und komme zu dem selben Ergebnis. Für mich ist in diesem Moment klar: So fliege ich nicht über das Wasser. Ich warte kurz bis Michael mit seiner Kontrolle fertig ist, dann bitte ich ihn - ohne etwas zu sagen - den Propeller durchzudrehen. Auch Michael stellt fest, dass ein Zylinder leichter geht als die anderen drei, dies stellt für ihn jedoch kein so großes Problem dar. Ich sage ihm, dass ich so nicht fliegen werde, zumindest müssten wir wissen, was die Ursache für diesen Druckunterschied sei. Da ich am Vortag schon wegen des diesigen Wetters Vorbehalte wegen des Überfluges angemeldet hatte, ist Michael nun der Meinung, ich hätte nur nach einem Grund gesucht, mich zu drücken.


Reparaturarbeiten in Caligari

Die Situation ist etwas gespannt, deshalb setzen wir uns beide hinter den Hangar und rauchen in Ruhe eine Zigarette, hierbei beraten wir unser weiteres Vorgehen. Ich mache den Vorschlag, zunächst das Ventilspiel zu prüfen, denn häufig kann man damit schon viel erreichen. Gesagt, getan, wir entladen also die „IS“ wieder, um an unser Werkzeug zu gelangen. Ich will mich gerade an die Arbeit machen, als ich bemerke, dass ich die falschen Meßlehren mitgenommen habe. Nun ist guter Rat teuer. Plötzlich hören wir aus dem Hangar, den wir beide für nicht mehr im Betrieb hielten, Hammerschläge. Ich finde nach kurzen Suchen den Eingang und bin erstaunt. In der alten rostigen Blechhalle steht eine große Zahl fast neuer Flugzeuge. An einer 172er Cessna arbeiten gerade zwei Mechaniker. Ich gehe zu ihnen und erkläre so gut es geht unser Problem, unkompliziert wird uns mit dem nötigen Werkzeug geholfen. Ich mache mich sogleich an die Arbeit. Micha beginnt zu drängen, unsere Abblockzeit (Zeitpunkt, zu dem das Luftfahrzeug voraussichtlich mit der Bewegung zum Abflug beginnt) sitzt uns im Nacken. Michael ruft also ELMAS Tower und erbittet erneut um eine Verschiebung unseres Flugplanes um eine Stunde. Nach 20 Minuten bin ich dann so weit, alle Ventile sind geprüft und zum Teil neu eingestellt. Alle Zylinder haben den selben Druck. Unser Motor ist also in Ordnung, nun habe auch ich keine Bedenken mehr. Michaels Freude ist augenscheinlich und er sagt mir: ich dachte ernsthaft du wolltest dich drücken“. Aber auch er hat eingesehen, dass es besser war, der Sache auf den Grund zu gehen und sie zu beseitigen.

Start

Inzwischen ist es schon 12.00 Uhr Ortszeit, wir haben nach unserem zweimal verschobenen Flugplan noch 25 Minuten bis zum Start. Zügig packen wir alles ins Flugzeug und machen uns fertig, schnell noch die Schwimmwesten anlegen, dann geht es los. Wir rollen zwischen und neben diversen Passagierflugzeugen über das Vorfeld zu dem uns zugewiesenen Rollhalt Delta, Piste Eins Vier. Genau fünf Minuten vor Ablauf unserer zweiten Flugplanverlängerung starten wir, es ist 12.20 Uhr local. Nach zwei Rollbahneinmündungen sind wir in der Luft, bis zum Bahnende sind es jedoch noch gute 700 Meter. Schnell wird das Fahrwerk eingezogen und die Klappenstellung auf 0 gefahren, ein kurzes Drosseln des Triebwerkes und auch die Luftschraube ist auf Reisestellung umgestellt. Mit Erreichen des Bahnendes sind wir auch schon über dem Wasser, denn der Flugplatz liegt unmittelbar an der Küste. Ich beschäftige mich mit der Navigation, Michael fliegt heute.

Zunächst ist alles wie gewohnt, links und rechts neben uns sind die Küsten in Sicht, in einiger Entfernung verschwinden sie jedoch im Dunst. Wir fliegen direkt in den Golf von Cagliari. Ich stelle unser VOR auf die Frequenz von Carbonara, uns wird ein fehlerfreies Signal angezeigt, auch unser GPS arbeitet einwandfrei. Wir steigen bei einer Reisegeschwindigkeit von 140 km mit ca. 200 ft/min bis auf unsere Reiseflughöhe von Flugfläche 55. Gern wären wir noch höher gestiegen, die Überflughöhe ist jedoch mit FL 35 - FL 55 festgelegt. Mit Verlassen der Fünfmeilen-Zone meldet uns Michael beim Tower ab, wir bekommen als neue Frequenz die 118,75 Cagliari Approach.

Wasser, Dunst und Instrumente

Allmählich weichen die Küsten immer weiter zurück und die Anhaltspunkte für unsere Fluglage werden immer weniger. Vor uns wird es dunstig. Ich verfolge unseren Kurs auf der Karte und markiere alle fünf Minuten unsere Position. Zuvor mache ich einen Abgleich mit dem VOR, dem Kompass und der Zeit und bestimme damit unseren Standort, diese Werte vergleiche ich mit den Werten des GPS. Michael ist zwischenzeitlich damit beschäftigt unsere Maschine, die mittlerweile Reiseflughöhe erreicht hat, auszutrimmen. Ich höre, wie er vor sich hin schimpft, die Trimmung geht leider sehr undifferenziert, so dass es schwer ist, den richtigen Punkt zu treffen.

Wir sind jetzt 25 Minuten in der Luft und nur wenn ich mich nach hinten wende, kann ich noch ein Stück der Küste sehen. Für uns beginnt nun der schwierigste Teil. Ich zeige Michael ein Schiff, welches sich versetzt neben uns auf ähnlichem Kurs wie wir befindet, plötzlich kippt die „IS“ seitlich weg. Ich schaue auf die Instrumente und dann wieder aus dem Cockpit, Micha hat die Maschine abgefangen und wieder auf Kurs gebracht. Ich sage nichts, ich weiß, dass es schwierig ist, so zu fliegen. Ich sehe nach links, neben mir sitzt Michael und starrt wie angenagelt auf die Instrumente vor sich, nur den Wendezeiger, den Fahrtenmesser und das Vario im Auge. Vor uns nur Wasser, Dunst und Himmel, die Mischung dieser drei Elemente ist wirklich nicht geeignet, die Fluglage zu halten, es fehlen Bezugspunkte, ein Horizont.

In dieser Situation tritt eine negative Eigenschaft der „IS“ deutlich in den Vordergrund, die Instabilität um die Längsachse. Die meisten Flugzeuge, ausgenommen Kunstflugmaschinen, besitzen eine konstruktiv bedingte Eigenstabilität. Vorausgesetzt die Trimmung stimmt, kann man in einem solchen Flugzeug alle Ruder loslassen - die Fluglage bleibt stabil. Nicht so die „IS“, sie neigt ständig dazu, über eine Fläche abzukippen. Dies bedeutet für den Piloten, dass er sie, auch in absolut ruhiger Luft, ständig steuern und führen muss. Michael sagt nichts, er fliegt, konzentriert sich auf die Instrumente, auf unser Ziel.


Wasser, nichts als Wasser - und kein Horizont

Das GPS ist auf der Kopilotenseite am Instrumentenbrett angebracht. Ich bemerke, dass Michael bei jedem Seitenblick auf das GPS Probleme hat, die Fluglage zu halten. Als ich ihn daraufhin anspreche bestätigt er mir dies und begründet es damit, unbewusst dem Gefühl mehr zu trauen als den Instrumenten, wenn er auch nur kurzzeitig auf die Wasserfläche bzw. in den Dunst schaut. Ohne die notwendigen Bezugspunkte und gewohnt, ein Flugzeug nur nach Sicht zu fliegen ist dieses Gefühl jedoch trügerisch. Wir besprechen die Situation und ich sage Michael von diesem Moment an alle GPS-Anzeigeänderungen durch, es hilft, Michael braucht sich nur auf die Instrumente und die Fluglage zu konzentrieren, die Steuerbewegungen für Navigationskorrekturen gebe ich ihm vor. Glücklicherweise haben wir kaum eine Abdrift, der Wind weht uns fast direkt entgegen. Zwar mindert dies unsere Geschwindigkeit über Grund, im Falle eines GPS-Ausfalls, angewiesen auf die Koppelnavigation, ist mir ein direkter Gegenwind jedoch lieber. Ich markiere in regelmäßigen Abständen unsere aktuelle Position in der Karte und berechne die nächste. Dies ist zwar nicht unbedingt erforderlich, beschäftigt aber und ist auch ganz hilfreich.

Unser erster Zielpunkt ist „Osmar“ 38°15`22“N / 03°47’42“E, ein nur durch Koordinaten festgelegter Punkt mitten im Meer, über den man auf einer VFR- Strecke nach Tunesien einfliegt. Wir erreichen diesen Punkt 13.28 Uhr MEZ. Wir sind jetzt eine Stunde und acht Minuten unterwegs, in der verstrichenen Zeit haben wir uns beide an die Situation gewöhnt. Wir haben an diesem Punkt etwa die Hälfte der über Wasser verlaufenden Strecke hinter uns.

Flaschenpost

Am Vorabend hatten wir uns darauf verständigt, die Flaschenpost, die wir im Gepäck haben, über diesem Punkt abzuwerfen. Ich hatte Sie vor dem Start schon bereitgelegt, so dass sie gleich bei der Hand war. Mit kleinen Schwierigkeiten gelingt es uns dann genau im Moment des Überfluges von „Osmar“ die Flasche abzuwerfen. Das ist jedenfalls nicht so einfach wie man glaubt. Bei ca. 160 km/h besteht die Gefahr, dass der Gegenstand, den man aus dem Flugzeug wirft, gegen ein Bauteil fliegt, mit der Folge, dass die Flasche zerschmettert wird und das Flugzeug eine Beule bekommt. Es geht alles gut und wir können unser Versprechen erfüllen, wir hoffen nur, dass die Flasche bei einem schreibfreudigen Finder angespült wird.

Nach dem Überflug von „Osmar" gehen wir auf unseren neuen Kurs, unser nächstes Etappenziel heißt „Tanit“, ein wie „Osmar“ festgelegter Punkt im Meer. Ich raste die neue Frequenz von Tunis Information, kurz darauf hören wir die Stimme einer freundlichen Controllerin, damit haben wir beide nicht gerechnet. Die Reichweite unseres Funkgerätes beträgt damit gut 150 km! Wir setzen unseren Flug fort, sehr zu unserer Freude erhalten wir auch ein einwandfreies VOR-Signal der tunesischen Küstenstation. Nun steigt allmählich die Stimmung in unserem Cockpit, wir nähern uns mit jeder Minute unserem Ziel Karthago. Der Flug ist abgesehen von der ständigen Aufmerksamkeit, die dem Piloten abverlangt wird, äußerst langweilig und eintönig. Es ist einfach nur Stress und hat keinerlei Erlebniswert. Nicht einmal Schiffe sind zu sehen, erst als wir in Küstennähe kommen tauchen die ersten wieder auf.

Der schwarze Kontinent, Zeitzonenprobleme

Nach knapp zwei Stunden Flugzeit taucht ein Streifen im Dunst am Horizont auf, wir sehen uns beide an und fragen uns „Afrika?“. Kurz darauf Sicherheit, wir haben die Küste von Afrika in Sicht. Nun kann uns nichts mehr aufhalten. Wir melden uns bei Tunis Control an und werden nach unserer voraussichtlichen Ankunftszeit gefragt. Ich überschlage kurz und teile unsere errechnete Zeit mit. Der Controller fragt erneut nach und meldet Zweifel an unser Angabe an. Ich rechne nochmals nach und komme zum gleichen Ergebnis, erneut geben wir es durch. Wiederum meldet der Controller Zweifel, dies geht mehrere Male so und gipfelt in der Bemerkung des Controllers, ob wir den aktuellen Tag oder den kommenden meinen. Michael ist genauso ratlos wie ich, wir können uns nicht erklären, wo der Fehler liegen soll.

Es sei vorweggenommen, es war unser Fehler. Wir hatten es einfach nicht für notwendig erachtet unsere Uhren auf UTC umzustellen, beide gingen wir davon aus, Italien liege in der selben Zeitzone wie Tunesien. Aus diesem Grund gaben wir auch bei jeder Anfrage zu unserer voraussichtlichen Landezeit eine Zeitangabe mit dem Zusatz local time. Da Tunesien im Unterschied zu Italien jedoch eine Stunde weiter ist, war uns im Nachhinein klar, weshalb der Controller unser Angabe nicht akzeptierte. Nach seine Zeit hätten wir schon gelandet sein müssen.

Bei Ros Zebib überfliegen wir die Küste von Afrika. Die Navigation erscheint uns wie ein Kinderspiel gegenüber dem Flug über dem Wasser. Nach zehn Minuten kommt Tunis in Sicht . Wir fliegen über „November“, „November 1“ und „Wisky 1“ in die Kontrollzone von Tunis ein. Die Verständigung mit dem Tower ist einwandfrei. Vor uns taucht das riesige Areal des Flughafens Carthage auf. Beeindruckend. Michael kommt im Endanflug allein zurecht, ich versuche von einigen der vielen interessanten Objekte, die wir passieren, ein paar Bilder zu machen. Vor uns liegt eine nicht enden wollende Bahn. Im Funk hören wir, dass uns ein Airbus folgt, er ist jedoch noch weit entfernt, so dass wir Zeit haben. Der Seitenwind ist recht stark, Michael ist richtig gefordert, dann ein erfreuliches Poltern, wir haben aufgesetzt - in Afrika.


Afrika! Der Kontinent, der unser Ziel ist, liegt endlich unter uns

Wir haben die Hälfte unseres Weges erfolgreich hinter uns, unser Ziel ist erreicht. Die Schilderung unserer Erlebnisse in Tunis und den Rückflug übernimmt ab hier Michael.

Da ich nun endlich auch mal zu Wort komme sei mir eine Bemerkung vorab gestattet. Die Idee, unsere Erlebnisse aufzuschreiben stammt, ich gebe es neidlos zu, mal wieder von Jürgen. Hintergrund war, dass unsere Suche nach brauchbaren Informationen während der Vorbereitung dieses Fluges nur recht spärliche Ergebnisse brachte. Die wenigen Hinweise, die wir erhielten, erwiesen sich später meist als unbrauchbar oder schlichtweg falsch.. So soll dieser Bericht all jenen, die sich mit ähnlichen Absichten tragen, eine kleine Hilfe bei der Vorbereitung sein und sie ermuntern, ihren Traum zu verwirklichen.
 

Sechster Tag, Afrika
 


Unerwarteter Service

Geschafft..., das ist wohl das richtige Wort. Bei über 30°C erzeugt der schwarze Asphalt der Bahn eine Menge Turbulenzen, die mir beim Abfangen plötzlich richtig Arbeit verschaffen. Irgendwie gelingt es mir aber doch, unser „Langohr“ an den Boden zu zwingen. Wir verlassen die Startbahn über die nächste Intersection (Rollbahneinmündung) und bitten um Rollanweisungen. Statt einer endlosen Folge von Anweisungen erhalten wir ein „Follow Me“ Fahrzeug. Prima Service denke ich und bin etwas erleichtert, denn am Boden fällt die Orientierung auf dem riesigen Gelände des Airports doch etwas schwerer als aus der Luft. Scheinbar geht es mir aber nicht allein so, denn auch Jürgen hat inzwischen das Anflugblatt in der Hand und dreht es etwas ratlos hin und her. Es kommt aber noch besser. Während ich versuche dem „Follow Me“ hinterher zu rollen (oder sollte ich bei gut 60 km/h besser fliegen sagen?) fragt uns der Controller, ob wir wie beantragt zunächst betanken möchten.

Die Betankungsproblematik bereitete uns schon während der Vorbereitungen einige Kopfzerbrechen. Alle Informationen deuteten darauf hin, dass die benötigte Spritsorte (AVGAS 100LL) schon in Italien an kaum einem Flugplatz zu bekommen sei. Um dem Dilemma, irgendwo mangels Treibstoff festzusitzen, zu entgehen, hatten wir extra einen nicht unbeträchtlichen Teil unseres knappen Laderaumes geopfert und eine große Benzinkanne mitgenommen. Notfalls hätten wir damit von einer nahe gelegenen Tankstelle Super verbleit heranschaffen können. Unser Limbach-Triebwerk kommt damit auch ganz gut zurecht. Bisher, in Italien, war diese Vorsichtsmaßnahme jedoch völlig unnötig. An jedem der von uns angeflogenen Plätze erhielten wir problemlos den nötigen Sprit, ausgenommen vielleicht während der Siesta. Hier, in Tunis, war jedoch auch nach Angabe der AIS Frankfurt nur Jet A1 zu bekommen, ein Treibstoff für Strahltriebwerke, für uns völlig unbrauchbar.

Schon kurz nach dem Start in Cagliari wunderten wir uns daher über die Frage der Controllerin, ob sie mit dem Absenden unseres Flugplanes auch gleich die Betankung mit 100LL beantragen solle. Wir bestätigten zwar, rechneten aber beide nicht damit, hier den passenden Sprit zu bekommen. Und jetzt diese Frage! Ich bestätige zwar sofort, bin dann aber doch gespannt ob hier, am „Rande der Welt“, der richtige Sprit vorrätig sei. Unterdessen haben wir nach gut zwei Kilometer Rollweg das Vorfeld erreicht und unser „Follow Me“ hält abrupt an. Nur mit Mühe gelingt es mir, die „IS“ mit ihren fast wirkungslosen Bremsen zum Stehen zu bringen. Der Fahrer des „Follow Me“ bedeutet uns, hier zu warten und braust davon, von einer Tankstelle ist weit und breit nichts zu sehen.

Jürgen hat inzwischen die Gurte gelöst und klettert aus der Kabine. Ich folge seinem Beispiel und habe jetzt erst Gelegenheit, mich richtig umzusehen. Der Platz ist von wahrhaft riesiger Ausdehnung. Direkt vor dem für europäische Maßstäbe etwas kleinen Terminal steht eine Reihe DC-9 und Boing 727. Auch der uns folgende Airbus ist inzwischen gelandet und rollt jetzt dort hin. Etwa 1,5 km hinter uns, inmitten des Geländes, ragt wie ein Leuchtturm der Tower auf. Auf einer Abstellfläche an seinem Fuß steht einsam und verlassen eine kleine Sportmaschine, wie es scheint die einzige neben unserer. Der Seewind bläst mächtig stark und mildert die starke Hitze, die hier herrscht. Andererseits bringt er unsere „IS“ auch wieder in Gefahr, davon zu rollen. Hinzu kommt, dass der von hinten kommende Wind mit jeder Böe die Ruder gegen ihre Begrenzungen schlägt. Leider mussten wir, aus Platz- und Gewichtsgründen, auf die Mitnahme von Ruderklemmen und Vorlegekeilen verzichten, was sich hier erneut rächt. Da hilft nur festhalten. Beide reden wir fast nichts, sind ins Schauen vertieft und lassen die Eindrücke auf uns wirken. Langsam erst wird es mir richtig bewusst, wir sind in Afrika, haben es allen Unkenrufen zum Trotz geschafft.

Betankung auf tunesisch

Während ich mich noch mit der Kamera beschäftige, um den inzwischen vollen Film zu wechseln, kommt ein modernes Feurerlöschfahrzeug auf uns zu und stoppt etwa 20 Meter vor unserm Flieger. Die Schaumkanone richtet sich langsam auf unser Flugzeug und ein phantastisch gekleideter Feuerwehrmann klettert heraus, bewaffnet sich mit einem riesigen Feuerlöscher und baut sich, ohne etwas zu sagen, vor unserer Maschine auf. Man stelle sich vor, bei 30/35°C, in voller Montur - schwarze Lackstiefel, schwarze Uniform, chromblitzende Schnallen und Tressen und ein verchromter Helm. So was sieht man sonst nur im Kino.

Unterdessen kommt auch der Mann aus dem „Follow Me“ zurück, mit einem Gepäckkarren, darauf ein rotes verbeultes Fass, ein riesiger Trichter und eine Handpumpe. Er ist ziemlich beleibt, trägt schwarze Anzughosen, weißes Hemd und schwitzt mächtig. Die Leute legen hier aber offensichtlich Wert auf Äußerlichkeiten. In unseren abgetragenen Jeans und verschwitzten T-Shirts passen wir wohl nicht recht ins Bild. Von dem doch sehr anstrengenden Flug bin ich noch etwas mitgenommen, halte mich am Steuerknüppel fest, und bin ganz froh, dass Jürgen sich um unseren „Tankwart“ kümmert. Der begrüßt uns derweil wortreich und in einer fürchterlichen Mischung aus französisch, englisch und auch deutsch und interessiert sich sehr für unser Flugzeug. Jürgen gibt ihm bereitwillig Auskunft, mir ist allerdings nicht ganz wohl dabei, habe ich doch andern Orts schon schlechte Erfahrungen mit blumig-wortreichen Mitmenschen gemacht. Ich mache mir Sorgen um die Sicherheit unserer Maschine. Das winzige Vorhängeschloss an der Kabinenverriegelung könnte entsprechender krimineller Energie nur wenig Widerstand entgegensetzen. Schließlich möchte ich nur ungern ohne Instrumente nach Hause fliegen.

Jürgen scheint sich jedoch inzwischen mit unserem Tankwart handelseinig zu sein, denn der zückt jetzt einen riesigen Messstab, taucht ihn in das Fass und präsentiert ihn dann Jürgen, wohl um den gegenwärtigen Füllstand zu demonstrieren. Bei den hiesigen Temperaturen ein nutzloses Unterfangen, das Benzin verdunstet sofort. Jürgen hat entweder bessere Augen oder mehr Vertrauen in unseren „Tankwart“. Jedenfalls nickt er, worauf dieser sich sofort daran macht die Pumpe auf dem Fass zu montieren und mit Jürgens Hilfe den riesigen, mit einem Ziegenleder versehenen Trichter in den Tankstutzen der „IS“ einzuführen. Hatte ich Anfangs noch Bedenken wegen des alten Fasses, der Anblick des Ziegenleders zerstreut sie restlos. Auch im Zeitalter der modernen Chemie gibt es wohl kein geeigneteres Mittel um Wasser und Verunreinigungen aus dem Kraftstoff herauszufiltern.

Während sich unser tunesischer „Tankwart“ mit der Pumpe abmüht, schalte ich die Tankanzeige ein und überschlage grob unseren Spritverbrauch. Es fehlen knapp 30 Liter, das bedeutet tatsächlich einen Verbrauch von nur wenig mehr als 10 l/h. Die Ventileinstellung in Cagliari hat sich also wirklich gelohnt. Schnell ist die fehlende Menge aufgefüllt und Jürgen bekommt erneut den Messstab präsentiert. „Nur 100 Liter“, erklärt unser tunesischer Freund und seine Gesichtszüge verraten höchstes Entzücken ob des zu erwartenden Gewinns. Wir sind beide zunächst sprachlos, protestieren dann aber energisch. Während der nun folgenden Verhandlungen muss ich immer wieder ein lautes Lachen unterdrücken, unser „Tankwart“ windet sich wie unter Schmerzen und noch mehrmals wird, unter wildem Gestikulieren und fürchterlichem Radebrechen, die unsichtbare Markierung auf dem Messstab zu Rate gezogen. Schließlich einigen wir uns mit Handschlag auf 50 Liter und sofort wird die Mimik unseres Freundes wieder honigsüß.


Der Tankwart, der Feuerwehrmann, das Fass und der Messstab...

Bakschisch und Polizeikollegen

Auf seine Frage erklären wir ihm, dass wir ein bis zwei Tage in Tunis bleiben möchten, worauf er uns verspricht, sich sofort um einen geeigneten Abstellplatz für unseren Flieger zu kümmern. Als ich ihm ein paar Dollar für seine Bemühungen zustecken will, weist er mich, mit übertrieben wirkender Gestik, zurück. Offensichtlich stört ihn die Anwesenheit des Feuerwehrmannes, der nach wie vor stumm, mit dem Feuerlöscher in der Hand, neben unserm Flieger steht. Denn während er noch gestikuliert flüstert er mir ins Ohr, wenn ich ihm einen Gefallen erweisen wolle, möchte ich ihm doch eine bestimmte Sorte Tabak aus dem Duty Free Shop besorgen. Dann dreht er sich um und mit dem Hinweis, uns in der Abfertigungshalle zu erwarten, verschwindet er samt Gepäckkarren, Fass und Trichter. Auch unser Feuerwehrmann hat inzwischen wieder im Löschzug Platz genommen und fährt zurück in Richtung Terminal.

Wir sind wieder allein auf dem riesigen Vorfeld und nur der Wind zerrt und rüttelt an unserer „IS“. Wir schauen uns an und ich muss zunächst einmal laut lachen. Die ganze Situation kommt mir vor wie in einem schlechten Film. Wir haben aber nicht allzu viel Zeit, uns über das soeben erlebte auszutauschen, denn schon nach wenigen Minuten kommt erneut ein „Follow Me“, dessen Fahrer uns bedeutet, ihm zu folgen. Also schnell wieder rein in die „IS“, Triebwerk anlassen und hinterher.

Der Fahrer gibt ordentlich Gas und ich habe Mühe ihm zu folgen, ohne gleich abzuheben. Allerdings bin ich etwas vorsichtiger geworden und halte jetzt einen ausreichenden Abstand. Wir rollen so quer über das ganze Areal des Flughafens, bis vor eine ausgedehnte Mauer am östlichen Rande des Platzes. Auch hier eine große asphaltierte Abstellfläche ohne Möglichkeiten zur Verankerung. Ich versuche dem Fahrer des „Follow Me“ unser Problem zu erklären, der nickt nur und fährt davon, um gleich darauf mit einer Ladung Sandsäcke wieder aufzutauchen. Die Prozedur kennen wir schon.

Während wir unseren Vogel festbinden einigen wir uns darauf, ein Hotel oder eine Pension aufzusuchen. Zelt und Schlafsäcke können also im Flieger bleiben. Ich bemühe mich, unser Gepäck herauszukramen, Jürgen kümmert sich unterdessen um die Befestigung der Ruder und unterhält sich mit der sehr an unserem Flieger interessierten Besatzung des „Follow Me“. Wieder beschleicht mich ein ungutes Gefühl ob der Sicherheit unserer Maschine und ich bemühe mich, wenigstens die Headsets und unseren Notsender ein wenig zu „tarnen“. Dabei fallen mir auch die zwei kleinen Sektflaschen und unsere „Siegeszigarren“ in die Hände. Beinahe hätten wir sie vergessen. Freundlicherweise können wir mit dem „Follow Me“ zurückfahren, so bleiben uns wenigstens 3 km Fußmarsch erspart. Beim Abfahren sehen wir noch, wie ein bewaffneter Militärposten an der Mauer hinter unserem Flieger aufzieht. Ich bin mir nicht sicher, ob das meine Bedenken zerstreuen oder eher noch bestärken soll.

Am Terminal angelangt brauchen wir diesmal nicht lange zu suchen, um zunächst zur Polizeikontrolle zu gelangen. Ein sehr wichtig dreinschauender Herr in Uniform kontrolliert unsere Reisepässe. Beim Blättern in Jürgens Pass hellt sich seine Mine jedoch plötzlich auf, er deutet auf Jürgen und sagt ein französisch klingendes Wort, dessen Sinn uns aber dennoch klar ist: „Polizist“. Sofort wird der Uniformierte redselig und ein Schwall französischer Worte strömt uns entgegen. Zwar verstehen wir beide kein französisch aber offensichtlich möchte er wissen, welchen Rang Jürgen bekleidet. Der nimmt all seine Fremdsprachenkenntnisse zusammen und gibt ein russisch klingendes „Captain“ von sich, worauf sein gegenüber etwas sagt wie „Ahh, Offizier, Kollege“. Er salutiert, schüttelt Jürgen die Hand und fordert uns wortreich auf, ihm zu folgen.

Unser Weg führt uns direkt zur Zollkontrolle und ich erwarte schon die üblichen endlosen Formulare. Wenige Worte des freundlichen Polizisten genügen jedoch und wir halten eine abgestempelte Zolldeklaration in den Händen. Der Polizist lässt es sich nicht nehmen, uns noch bis in den Transferbereich zu begleiten, wo er sich herzlich von uns verabschiedet. Ich wusste gar nicht, mit welch bedeutender Persönlichkeit ich unterwegs bin. Im Duty Free Shop holen wir uns schnell noch ein paar Zigaretten, und ich frage die Verkäuferin nach der Tabaksorte für unseren „Tankwart“. Die zuckt jedoch nur verständnislos mit den Schultern und schaut mich fragend an. Wahrscheinlich habe ich den Namen nicht richtig verstanden oder kann ihn auch nur nicht richtig aussprechen. Egal, es hat keinen Zweck. Ich belasse es also bei den Zigaretten und wir begeben uns in die Abfertigungshalle.

Die riesige Halle ist voller Leben und mit ihren reich verzierten geometrischen Ornamenten macht sie einen eher orientalischen Eindruck auf mich. Die Ansagen aus den Lautsprechern kommen zweisprachig, französisch und arabisch. Auch die Leute sind meist orientalisch gekleidet. Wir suchen zunächst eine Wechselstube, um unsere Dollars in einheimische Dinar zu tauschen. Das ist gar nicht so leicht in dem Trubel. Jürgen hat schließlich Glück und entdeckt einen entsprechenden Schalter. Der Kurs ist fast eins zu eins, so dass wir keine großen Probleme beim Umrechnen haben werden.

Zurück vom Umtausch wartet auch schon unser „Tankwart“ auf uns. Wir begleichen zunächst unsere Spritrechnung, 75 Dinar! Das Geld in den Händen wird der Mann wieder sehr freundlich und bietet sich an, uns bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft behilflich zu sein. Wir nehmen dankend an und folgen ihm zum Schalter eines einheimischen Touristikbüros. Auf dem Weg dort hin erkundigt er sich nach dem Tabak. Ich erkläre ihm mein Dilemma und gebe ihm statt dessen eine Schachtel Zigaretten und einen 10 DM Schein, der sich zufällig noch in einer Tasche meiner Jeans findet. Auf seinem Gesicht zeichnet sich deutlich seine Zufriedenheit ab. Am Touristikschalter dolmetscht er dann auch bereitwillig für uns. Ich möchte nach Möglichkeit eine Unterkunft direkt am Meer und allzu teuer sollte sie auch nicht sein. Kein Problem, erklärt er und nach kurzer Verhandlung mit der Dame am Schalter überreicht er uns einen Zettel mit der Adresse eines Hotels, 52 Dinar das Doppelzimmer mit Frühstück. Auf meine Frage nach dem Taxipreis rät er mir noch, mich unbedingt an die gelben Taxis zu halten, die hätten einen Taxameter und mehr als 6 Dinar dürfe es nicht kosten, dann verabschiedet er sich freundlich und verschwindet in der Menge.

Jürgen hat inzwischen ein kleines Restaurant an der gegenüberliegenden Seite der Halle entdeckt, ich habe Durst und folge ihm gern dorthin. Bei einem großen Orangensaft und einem recht ordentlichen Kaffee lassen wir die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal Revue passieren. Besonders unser geschäftstüchtiger „Tankwart“ ist Thema unserer Unterhaltung. Ich weis nicht recht ob ich lachen oder weinen soll, für die knapp 30 Liter Sprit die wir getankt haben, hat er uns 50 Liter berechnet und dafür haben wir 75 Dinar, das sind umgerechnet etwa 125 DM, bezahlt. Hoffentlich taugt wenigstens das Hotel etwas. Der Versuch, über unser Handy zu Hause anzurufen, scheitert kläglich - „Netzzugang nicht erlaubt“. Also auf, zum Hotel. Beim Bezahlen bemerke ich, das von den rund 200 Dinar nicht mehr viel übrig ist, klar, bei dem Spritpreis! Da wir nicht wissen ob das Hotel Kreditkarten akzeptiert beschließen wir, noch einmal 100 Dollar zu tauschen. Gesagt, getan. Diesmal haben wir kein Problem, die Wechselstube zu finden und 10 Minuten später stehen wir auf dem Platz vor dem Terminal.

Deutsch Auto gut, Hitler gut, Volkswagen gut

Taxis gibt es jede Menge, und die geschäftstüchtigen Fahrer preisen lautstark ihre Dienste an. Dem Rat unseres „Tankwartes“ folgend wenden wir uns an den Fahrer eines gelben Taxis und nennen ihm den Namen unseres Hotels. Der nickt eifrig und bedeutet uns einzusteigen. Ein Blick auf die Mittelkonsole bestätigt mir, ein Taxameter ist drin, allerdings sieht es recht tot aus und so frage ich vorsichtshalber nach dem Preis. 20 Dinar, lautet die unverzügliche Antwort. Eigentlich wollte ich das Taxi nicht kaufen. „Raus“ rufe ich Jürgen zu, öffne die Tür und mache Anstalten auszusteigen. Das entlockt dem Fahrer eine Flut beschwörender Worte, worauf ich dann doch sitzen bleibe, um zu verhandeln. Wir einigen uns schließlich auf 10 Dinar, was mir für die Strecke, die wir jetzt zurücklegen, durchaus angemessen erscheint.

Während der Fahrt haben wir Gelegenheit, die Ausmaße der Tunesischen Metropole und den eigentümlichen Reiz der Mischung aus Moderne, orientalischer Architektur und subtropischer Vegetation zu bewundern. Unser Fahrer plappert derweil auf französisch vor sich hin, offensichtlich erklärt er uns die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt und möchte wohl auch wissen, woher wir kommen. Des französischen nicht mächtig antworte ich ihm in englisch und auch Jürgen verfällt unwillkürlich in diese Sprache. Aus diesen, hin und wieder eingeworfenen, Bemerkungen entnimmt unser Chauffeur dann aber doch, dass wir aus Deutschland kommen, was ihn dazu veranlasst, seinen gesamten deutschen Wortschatz preiszugeben: „Ahh, deutsch Auto gut, Hitler gut, Volkswagen gut“. Wir verkneifen uns jeden Kommentar. Leider sind wir beide mit der Kolonialgeschichte dieses Landes viel zu wenig vertraut, um die Hintergründe dieser Bemerkung zu verstehen.

Hotel Amilcar, wie aus 1000 und 1 Nacht

Inzwischen ändert sich das Stadtbild. Dominierten bisher große, europäisch anmutende Gebäude, so sind es jetzt mehr orientalische, villenartigte Häuser, die der Gegend einen mehr ländlichen aber doch sehr vornehmen Charakter verleihen. Je weiter wir fahren, um so prächtiger werden die Villen, um so größer auch die palmenbewachsenen Gärten. Hin und wieder sind historische Ausgrabungsstätten zu sehen. Unser Chauffeur wiederholt mehrmals „Carthage, Carthage...“, wobei er auf die Ruinen deutet. Offensichtlich haben wir den Stadtkern von Tunis verlassen und befinden uns jetzt im Gebiet des ehemaligen Karthago.

Schließlich biegen wir in eine Seitenstraße ein, die scheinbar direkt zum Meer führt. Das erleichtert mich etwas, ist es doch mein sehnlichster Wunsch, endlich einmal im Mittelmeer zu baden. Durch das leicht hügelige Gelände war uns bisher jedoch der Blick aufs Meer verwehrt. Die Straße endet an der Auffahrt zu einem sehr nobel wirkenden Hotel und ich zweifle schon, ob der Fahrer die Adresse richtig verstanden hat. Wir halten an der Auffahrt und der Chauffeur gibt uns zu verstehen, dass wir da seien. Beim Aussteigen fällt mein Blick auf das Dach des Hotels. Dort prangt, in großen roten Lettern, das Wort „AMILCAR“. Es ist der Name den uns die Dame im Touristikbüro aufgeschrieben hat, wir sind also durchaus richtig. Ich bezahle noch schnell unser Taxi, während Jürgen schon vorangeht. Auf halbem Weg zum Eingang hole ich ihn ein und zusammen betreten wir die Halle des Hotels.

Unwillkürlich stockt mein Schritt, ich fühle mich wie in eine Welt aus 1000 und 1 Nacht versetzt. Im Zentrum der geräumigen Halle plätschert ein großer, rechteckiger Springbrunnen. Geometrische Mosaik- Ornamente zieren seine Mauern und das durch eine große Glaskuppel einfallende Sonnenlicht erzeugt ständig wechselnde Reflexe auf der Wasseroberfläche. Im Schatten, hinter den stützenden Säulen um ihn herum, gruppieren sich zwanglos gemütliche Sitzgruppen zwischen exotisch anmutenden Pflanzen. Hinter dem Springbrunnen, im Halbschatten einer großen Palme, steht ein grazil gearbeiteter Vogelkäfig, in seiner Form einer Moschee nachempfunden. Aus verborgenen Lautsprechern klingt gedämpfte, orientalische Musik und vermischt sich mit dem Plätschern des Wassers und dem Gezwitscher der Vögel. Der Raum ist angenehm kühl, eine Wohltat nach der Hitze draußen. Nachdem sich meine Augen an das Halbdunkel der Halle gewöhnt haben, erkenne ich auch den großen, gediegen Tresen des Empfangs im Hintergrund.

Bei dem Ambiente mache ich mir langsam Sorgen um unser Budget. Vielleicht habe ich ja den Preis am Flughafen falsch verstanden. Jürgen steht bereits am Empfangstresen. Ich folge ihm und teile ihm meine Bedenken mit. Nur wenige Gäste sind zu sehen und auch die Rezeption scheint verwaist. Bei unserer gedämpften Unterhaltung taucht jedoch sofort ein Angestellter des Hotels auf. Er ist über unsere Buchung informiert und nach dem Ausfüllen der Anmeldeformulare übergibt er Jürgen den Schlüssel für unser Zimmer. Auf meine etwas zögernde Frage bestätigt er, 52 Dinar das Doppelzimmer, inklusive Frühstück, und Kreditkarten werden selbstverständlich auch akzeptiert. In Gedanken leiste ich Abbitte bei unserem geschäftstüchtigen „Tankwart“ vom Flughafen. Hat er uns bei der Betankung auch tüchtig übers Ohr gehauen, die Vermittlung dieses Hotels gleicht das wieder aus.

Das Zimmer selbst ist dann nicht mehr ganz so nobel, besonders die Installationen im Bad machen einen recht „russischen“ Eindruck, der wunderbare Ausblick vom Balkon lässt uns aber darüber hinwegsehen. Das Hotel liegt tatsächlich direkt am Meer, genauer gesagt am Golf von Tunis, und verfügt, neben einem großzügigen Pool, auch über einen herrlichen Strand. Von der Höhe unseres Balkons blicken wir über den gesamten Golf. In der Ferne, blau vom Dunst des Wassers sind die Berge am jenseitigen Ufer zu erkennen. Auf den, mit Zedern und Palmen bewachsenen Hängen, rechts und links unseres Hotels blinken vereinzelte schneeweiße Villen im strahlenden Licht der Sonne.

Baden, Sekt und Siegeszigarren

Von der Hitze des Tages verschwitzt habe ich nur noch einen Wunsch: baden. Jürgen kann sich noch nicht so richtig entschließen, ihm genüge auch eine Dusche. „Kommt nicht in Frage“ entscheide ich und packe entschlossen Badehose, Handtuch und auch die beiden Sektflaschen und unsere „Siegeszigarren“ in eine Tasche. Etwas unmutig folgt Jürgen meinem Beispiel und fünf Minuten später stehen wir am Strand. Jetzt, im Mai, ist offensichtlich noch nicht viel los hier, wir sind ganz allein am Strand und nur auf der Hotelterrasse nehmen einige wenige Gäste ein Sonnenbad. Der Seewind hat eine beachtliche Stärke und trotz der hohen Temperaturen fröstelt es mich.

Das Wasser jedoch ist herrlich warm, wenn auch ungewohnt salzig. Es ist ein Riesenspaß, durch die hohen Brecher zu tauchen und angenehm erfrischt begeben wir uns eine Viertelstunde später auf die Terrasse. Bei einem Gläschen Sekt und einer guten Zigarre wird jetzt erst einmal der Erfolg unseres Unternehmens gefeiert. Während wir uns noch über die Erlebnisse der letzten Tage unterhalten, muss ich an den bevorstehenden und gewiss nicht minder anstrengenden Rückflug denken. Ich schiebe diesen Gedanken jedoch rasch von mir, zunächst gilt es unseren Angehörigen zu Hause eine Nachricht zukommen zu lassen, haben sie doch seit unserem Abflug in Cagliari nichts mehr von uns gehört. Die letzten Nachrichten von dort trugen sicher auch nicht gerade zur Beruhigung bei, handelten sie doch von technischen Problemen. Ich brauche Jürgen nicht erst lange zu überzeugen, auch er hat offensichtlich ähnliche Überlegungen angestellt und so begeben wir uns zurück in die Halle des Hotels, auf die Suche nach einem Telefon.

Auslandsgespräche sind von hier aus nur handvermittelt, über Operator möglich. Die Dame notiert sich die Rufnummern und nachdem sie die Verbindung hergestellt hat weist sie uns jeweils eine Kabine zu und legt das Gespräch dorthin. Auf diese Weise vergehen schon mal 2-3 Minuten, bis man selbst zum Sprechen kommt. In Anbetracht der vermutlich recht hohen Gebühren versuche ich mich möglichst kurz zu fassen, beruhige meine Frau und bitte sie, auch Roland Scheffel und Herrn Marschik über unsere glückliche Landung zu informieren. Für die knapp zehn Minuten Gespräch zahle ich schließlich gut 20 Dinar (ca. 35 DM), was meine Vermutung durchaus bestätigt. Wir verkneifen uns darum jedes weitere Telefonat und beschließen, unser Geld lieber in handfestere Dinge, sprich in ein ordentliches Abendessen umzusetzen.

Gesättigt und etwas erschöpft von den Anstrengungen beschließen wir den Tag bei einem Drink in der Bar des Hotels. Um diese Jahreszeit sind wir fast die einzigen Gäste. Nur ein paar Einheimische vertreiben sich hier die Zeit des Wartens auf zahlungskräftige Touristinnen. Zögernd folgen wir ihrer Einladung zu einer Tasse Kaffee. Nach dem üblichen woher und wohin dreht sich die Unterhaltung um Frauen - Urlaubsbekanntschaften der letzten Saison. Es fällt mir schwer, mich auf das Gespräch zu konzentrieren, drehen sich meine Gedanken doch um ganz andere Themen. Auch Jürgen scheint nicht so recht bei der Sache und so verabschieden wir uns zeitig und ziehen uns auf unser Zimmer zurück. Während ich den Blick vom Balkon genieße, hänge ich meinen Gedanken nach. Es ist schwer die Stimmung zu beschreiben, ein berauschendes Gefühl des Erfolges, wie Momentaufnahmen ziehen Bilder des Fluges an mir vorbei. Aber auch ein Gefühl der Leere taucht auf. Nach gut einem Jahr intensiver Vorbereitung, ausgerichtet auf das eine, große Ziel, die Frage nach dem was kommt, nach einem neuen, höheren Ziel...
 

Siebter Tag, Ruhe und Erholung
 
Auf Hannibals Spuren

Das Geräusch rauschenden Wassers weckt mich. Jürgen ist wie immer als Erster auf den Beinen und bereits beim Duschen. Während er seine Morgentoilette beendet schäle ich mich, vom strahlenden Sonnenschein gelockt, aus den Federn und gönne mir einen Blick vom Balkon über den türkisblauen Golf von Tunis. Obwohl die Sonne schon recht hoch steht ist es noch angenehm kühl. Der wolkenlose Himmel verspricht einen herrlichen Tag und bestärkt mich in meinem Entschluss, einen Ruhetag einzulegen. Mal keine endlosen Formulare ausfüllen, verständnislose Flugsicherungsbeamte überzeugen, oder in brütender Hitze den Flieger checken. Statt dessen am Strand spazieren gehen, im Meer baden oder über Basare schlendern und in schattigen Restaurants eisgekühlte Drinks nehmen. So versuche Jürgen meine Idee schmackhaft zu machen. Scheinbar braucht der aber auch etwas Ruhe, denn entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, ständig zur Eile zu drängeln, stimmt er mir ohne weitere Diskussion zu. Beim anschließenden, nicht gerade umwerfenden Frühstück beraten wir dann die Unternehmungen des Tages. Während sich Jürgen besonders für die Zeugnisse der Geschichte dieses historischen Ortes interessiert, reizt mich eher ein Bummel durch die Basare der Stadt. Wir beschließen das eine mit dem anderen zu verbinden. Nach Aussage des Portiers sind es nur knapp zwei Kilometer bis zu den Ruinen des alten Karthago, immer am Strand entlang.

Beim Verlassen der klimatisierten Hotelhalle schlägt uns die Hitze des Tages entgegen. Der Klimaunterschied ist doch gewaltig. Ein paar Tage zuvor mussten wir in Augsburg bei  -5°C das Eis von unserem Flieger kratzen und hier zeigt das Thermometer schon am Morgen 30°C. Entsprechend der Empfehlung folgen wir dem Strandweg, der sich hinter einer Biegung jedoch vom Strand entfernt und einer kleinen Anhöhe hinaufzieht. Das strahlende Weiß vereinzelter, recht prächtig anzuschauende Gebäude steht in reizvollem Kontrast zu dem dunklen Grün der Palmen und Zypressen und dem Rotbraun der unbewachsenen Uferhänge. Der Aufstieg wird langsam steiler und lässt mich ziemlich ins Schwitzen geraten. Der Weg führt jetzt direkt auf ein besonders großes, palastähnliches Gebäude zu und endet etwa 100 Meter weiter an einem Schlagbaum. Als wir uns zögernd nähern, tauchen zwei Männer mit Maschinenpistolen auf und geben uns unmissverständlich zu verstehen, das wir hier nicht weiter können. Wir versuchen erst gar nicht mit ihnen zu diskutieren und sehen uns nach einem anderen Weg um, zur Umkehr haben wir beide keine große Lust, dafür sind wir schon zu weit gegangen. Zu beiden Seiten des Schlagbaumes zieht sich ein Maschendrahtzaun entlang und in der Entfernung bemerken wir weitere Posten. Lediglich ein schmaler, steiler Pfad windet sich entlang des Zaunes den Hügel hinauf. Wir folgen ihm und erreichen schließlich eine kleine Ansiedlung, die bisher durch den Hang den Blicken verborgen war. Die Bäume der großen Gärten geben etwas Schatten und der Weg mündet jetzt in eine asphaltierte Straße.

Die Gegend wird etwas belebter und schließlich gelangen wir auf eine große Allee. Wir haben jetzt den Kamm des Hügels überwunden und jenseits der Allee öffnet sich der Blick bis zu dem etwa 15 km entfernten Tunis. Wir folgen der Allee, im Schatten einer hohen Mauer zu Ihrer Linken. Etwa 300 Meter weiter versperrt uns ein „Man in Black“ den Weg und verweist uns auf die andere Straßenseite. Die Mauer mündet hier in ein großes Gittertor, aus dem jetzt mehrere schwarze Limousinen mit Stander herauskommen. Es ist der Stander des Präsidenten. Offensichtlich sind wir in eine recht exklusive Gegend geraten.

Eine Gruppe junger Frauen bietet uns Gelegenheit, uns nach dem Weg zu erkundigen. Scheinbar sind wir aber gar nicht so verkehrt. Nur 500 m weiter führt wieder eine Seitenstraße zum Strand hinab und direkt zu den Ruinen des Hafens von Karthago. In der Saison kann man sich hier vor Touristen sicher kaum retten, um diese Jahreszeit sind wir jedoch fast allein und die meisten der unzähligen Verkaufsstände sind noch geschlossen. Jürgen sucht nach einem geeigneten Mitbringsel und ersteht nach zähen Verhandlungen schließlich für zehn Dollar ein paar Sandrosen. „Fast geschenkt“, wie der Händler wortreich versichert. Ohne zu handeln kaufe ich derweil zwei Filme für 5,40 Dollar. Im Hotel kostete einer schon zehn Dollar. Auf Souvenirs kann ich ohne Probleme verzichten, zumal mich Jürgens Sandrosen wieder einmal über die begrenzte Zuladung unseres Fliegers nachdenken lassen. Die Dinger wiegen mindestens zwei Pfund.

Die Hitze macht uns jetzt ganz schön zu schaffen, im Hochsommer würde ich das hier nicht aushalten. Nach der etwas enttäuschenden Besichtigung der Hafenruinen entdecken wir in einer Seitenstraße den Eingang zur „Arena Romanica“. Da Jürgen nach seinem letzten Italienurlaub mehrfach begeistert von der Arena di Verona berichtet hat, nehmen wir die vier Dollar Eintrittspreis dann doch in Kauf. Auch hier wieder leichte Enttäuschung. Die an sich gut erhaltene Arena ist schlecht restauriert und zudem durch eine Stahlbühnenkonstruktion und verschiedene Beleuchtungstürme verunstaltet. In Anbetracht der zunehmenden Hitze machen wir uns langsam auf den Rückweg. Die Orientierung fällt uns jetzt leichter und auf unserem Weg haben wir Gelegenheit noch eine ganze Reihe historischer Ausgrabungsstätten zu besichtigen. Wieder im Hotel angelangt gönnen wir uns nach Kaffee und Eis erst mal eine ausgiebige Siesta. Ausgeruht und nach einer erfrischenden Dusche beraten wir unser weiteres Vorgehen. Wir sind uns einig, morgen werden wir zurückfliegen. Noch während des Abendessens legen wir die Route für den Rückflug fest und damit beginnt auch wieder der „Alltag“ dieser Reise.

Achter Tag, Von Karthago nach Elba
 


Tunesische Gründlichkeit

Es ist Mittwoch, der 14.05.1997. Wir sind zeitig auf den Beinen, wollen wir doch, wenn alles gut geht, heute noch bis Elba kommen. Nach Morgentoilette und ausgiebigem Frühstück packen wir eilig unsere sieben Sachen und sitzen bereits 7.30 Uhr im Taxi zum Flughafen. Diesmal funktioniert das Taxameter und wir kommen mit dem offiziellen Preis von 6 Dinar davon. Der Briefing-Raum findet sich überraschend schnell und nach der obligatorischen Wetterberatung, hier übrigens in sehr guter Qualität, kümmere ich mich um die Aufgabe des Flugplanes und Jürgen bezahlt derweil die Rechnung. Geradezu lächerliche 10 Dollar müssen wir berappen, für Landeumlagen, Flugsicherungs- und Abstellgebühren. An solche Preise kann man sich wirklich gewöhnen.

Nicht so an den Controller, der meinen Flugplan sehr genau studiert und immer wieder etwas auszusetzen hat. Mal ist es die geplante Flughöhe, dann wieder die Reserveflugzeit von 30 Minuten und schließlich die Route überhaupt: mehr als 300 km über das offene Meer - unmöglich mit solch einer kleinen Maschine. Auch mein Hinweis, das wir ja schließlich den Hinflug problemlos bewältigt haben ändert zunächst nichts an seiner Meinung. Ich muss meine ganze Überredungskunst aufbieten und stoße dabei immer öfter an die Grenzen meiner Englischkenntnisse. Schließlich ändere ich einfach die Angabe zur Endurance (mögliche Gesamtflugdauer des Flugzeuges) von 4:30h in 5:00h. Das dies ein durch Tankinhalt und Spritverbrauch bestimmter feststehender Wert ist stört den Controler scheinbar nicht, denn der winkt jetzt etwas entnervt ab und bestätigt mir endlich die Annahme meines Flugplanes.

Jürgen, der mein Dilemma sehr wohl bemerkt haben muss, hat sich derweil diskret im Hintergrund gehalten. Als ich endlich vom Schalter der Flugsicherung zurückkomme, empfängt er mich mit der unschuldigsten Mine der Welt und einem: „Na, alles klar?“. Klar ist allerdings noch gar nichts, denn als wir gerade das AIS-Büro verlassen wollen, fragt uns ein anderer, sehr offiziell wirkender Herr nach unserer „Overflight And Landing Permission“. Also noch mal zurück. Wir erklären ihm, dass wir die Erlaubnis per Fax beantragt hätten, aber leider bis zu unserem Abflug in Deutschland keine Bestätigung erhalten haben. Auch der Hinweis auf die Aussage der Controllerin in Cagliari, wir könnten unbesorgt nach Tunesien einfliegen, nützt jetzt nichts. Der Mann will seine Permission sehen. Glücklicherweise finden wir in unserem Berg von Papieren das inzwischen etwas mitgenommene, ausgefüllte Antragsformular aus Deutschland. Ein Blick auf die tunesische Faxnummer lässt seine Mine aufhellen. Unter umfangreichen, französisch gesprochenen Erläuterungen, ich verstehe nur, dass sich die Faxnummer wohl geändert haben muss, erhalten wir das Formular zurück. Jetzt aber nichts wie raus hier, wer weiß, was denen noch alles einfällt.

Kleider machen Leute

Wir tauschen unsere Dinar zurück, diesmal gleich in Lira, und trinken einen letzten, schlechten Cappuccino in der Flughafenbar. Dann machen wir uns auf die Suche nach der Zollabfertigung. Immer wieder werden wir an die Abfertigungsschalter verwiesen oder man will unsere Bordkarte sehen. Da die meisten der Angestellten hier nur französisch sprechen fällt es uns schwer, ihnen verständlich zu machen, dass wir zu unserem eigenen Flugzeug wollen. In unserem etwas abgetragenen Outfit passen wir auch so gar nicht in deren Bild von einem Piloten. Selbst die Mechaniker tragen hier scheinbar zumindest einen schwarzen Anzug. Durch die Vermittlung eines Linienpiloten gelangen wir schließlich doch noch an einen leidlich englischsprechenden, kompetenten Angestellten, der uns zur Zollabfertigung bringt und den Beamten dort unser Anliegen klar macht. Der Rest ist reine Formsache. Lediglich einen Stempel im Flugbuch verweigert man uns leider. Bei der AIS haben wir nicht daran gedacht und jetzt noch mal zurück? - Nein, Danke! Wir erkundigen uns nach einer Fahrgelegenheit, schließlich steht unser Flieger ein paar Kilometer entfernt, am anderen Rande des Flughafens. Der Angestellte verspricht uns ein „Follow Me“ und bedeutet uns, in der Nähe einer Glastüre zu warten. Über der Tür steht auf einem Schild: „Exit to Airfield“ und „For Crewmembers only“. Das sieht gut aus, offensichtlich haben wir den bürokratischen Teil hinter uns.

Das Warten zieht sich dann doch etwas in die Länge, aber die Tür ist verschlossen und so bleibt nur, uns in Geduld zu üben. Endlich taucht ein Uniformierter auf, öffnet die Tür und deutet auf ein Fahrzeug, das eben herangefahren kommt. Wenige Minuten später nähern wir uns unserer „IS“. Die ganze Zeit über hatte ich mir Sorgen um unseren Flieger gemacht. Was würde uns wohl erwarten, war die Ausrüstung noch vollständig und unversehrt? Beim Näherkommen bemerke ich wieder den Militärposten sowie eine Reihe von roten Fähnchen, die rings um unsere Maschine aufgestellt sind. Schnell steht fest: Alles ist vollständig und unberührt, und in Gedanken leiste ich den Tunesiern Abbitte für meine Verdächtigungen.

Jürgen macht sich sofort an die Vorflugkontrolle und ich kümmere mich wie gehabt um die Beladung und das NAV- Setting. Jürgen wird diesen Abschnitt fliegen und ich bin ganz froh darüber, das mir diesmal die anstrengende Wasserfliegerei erspart bleibt. Wir nehmen Funkverbindung auf und erhalten sofort Freigabe zum Rollen. Dank dem „Follow Me“ hat Jürgen auch keine Probleme, die richtigen Taxiway’s zu finden. An der „Taxi Holding Position“ dann noch einmal das „Abbremsen“ des Triebwerks, alles scheint in Ordnung und Jürgen meldet „ready for departure“. Noch müssen wir auf eine startende „DC-9“ warten, dann erhalten wir unser „line up“ und kurz darauf „cleared for take off“.

Jürgen schiebt das Gas rein, der Motor dröhnt auf vollen Touren - aber unsere „IS“ bewegt sich keinen Zentimeter. Wir schauen uns etwas ratlos an, was in aller Welt hält uns hier fest? Mein Blick streift über die Instrumente und Hebel, alles ist so wie es sein sollte. Doch dann sehe ich Jürgens Knie zittern und mein Blick fährt hinab zu den Pedalen: Seit unserem Stop an der Startlinie steht er mit aller Kraft in den Bremsen und ist sich dessen überhaupt nicht bewusst. Wahrscheinlich macht ihm der bevorstehende Flug über das Meer doch mehr zu schaffen als er zugeben möchte. 08.29 Uhr UTC notiere ich schließlich als Startzeit im Bordbuch. Der Start verläuft sauber und wir verlassen die Kontrollzone von Tunis- Carthage auf dem gleichen Weg wie beim Hinflug.

Wieder über dem Meer

Jetzt stetig steigend, nähern wir uns langsam der Küste und ich bemerke, dass Jürgen zunehmend unruhiger wird. Noch während wir die Küste überfliegen haben wir unsere Reiseflughöhe erreicht und Jürgen müht sich sichtlich, die Maschine auszutrimmen. Ich kümmere mich jetzt um die Navigation und bemühe mich, ihn so gut es eben geht zu entlasten. Vor uns nichts als Himmel und Meer, die am unsichtbaren Horizont zu einer grauen Masse verschmelzen. Wir fliegen mit ökonomischen 2400 U/min, was eine IAS (angezeigte Geschwindigkeit gegenüber der Luft) von etwa 90 kt (gut 160 km/h) ergibt. Am GPS lese ich eine Ground Speed von etwas über 100 kt ab. Wir haben also gut 10 kt Rückenwind. Wenn sich daran nichts ändert, werden wir unseren Zielflugplatz Olbia mit einer Spritreserve von fast 20 l erreichen.

Etwa 55 Minuten nach dem Start erreichen wir „Osmar“, den imaginären Pflichtmeldepunkt an der Grenze zwischen tunesischem und italienischem Luftraum. Ich melde uns bei Tunis Information ab und schalte auf die Frequenz von Cagliari. Wie schon beim Hinflug erhalte ich gleich beim ersten Anruf Antwort und auch das VOR, jetzt auf Capo Carbonara gerastet, gibt eine stabile Anzeige. Ich checke nochmals den Spritverbrauch, an der Bilanz hat sich nichts geändert, wir werden Olbia sicher erreichen. Dieser Flug ist mit seinen rund 520 km somit die längste Etappe der ganzen Reise.

Jürgen starrt wie hypnotisiert auf die Instrumente vor ihm, man kann seine Anspannung förmlich spüren. Ich beobachte die Anzeigen der Navigationsinstrumente und nur meine hin und wieder eingeworfenen Kursangaben unterbrechen das monotone Brummen des Triebwerks. Dem Außenstehenden wird es schwer fallen, die Leistung, die Jürgen hier vollbringt, richtig einzuschätzen. Wir fliegen nur nach Wendezeiger, Variometer und Fahrtmesser. Kein künstlicher Horizont, der dem Piloten die Lage des Flugzeuges eindeutig darstellt, und erst recht kein Autopilot, der ihm die anstrengenden, feinfühligen Lagekorrekturen abnimmt. Die Gefahr eines solchen Fluges besteht weniger in der Möglichkeit eines Triebwerksausfalles, sondern im Ausfall der Kreiselinstrumente. Da Jürgen steuert, habe ich jetzt Gelegenheit, die oft beschriebene Sinnestäuschung, wie sie beim Flug in den Wolken oder eben, wie hier, über großen Wasserflächen auftritt, selbst zu erfahren. Unwillkürlich suchen die Augen nach einem Anhaltspunkt, einer geraden Linie in dem Dunst und immer wieder spannen sich die Muskeln, der Körper neigt sich zur Seite, weil die trügerischen Sinne nicht vorhandenen Strukturen im Dunst folgen. Jedes Gefühl für den Raum geht verloren und zum ersten mal regt sich etwas in mir, das ich bisher auf diesem Flug nicht gespürt hatte - Angst...

Check Your Intention

In dem Dunst voraus zeichnen sich langsam ein paar Wolken ab, sicheres Zeichen für die Nähe einer Küste. Jürgen hat seine Sache bis jetzt ganz gut gemacht und doch ist ihm deutlich die Erleichterung anzusehen, als sich endlich die Berge Sardiniens vor uns aus dem Dunst schälen. Der Rest ist ein Kinderspiel. Etwas übermütig geworden kürzen wir den Anflug auf Capo Cavallo etwas ab, und halten uns östlich, an der Küste. Eine vorgeschriebene VFR Route gibt es hier nicht. Von Cagliari Approach erhalten wir dann aber die Weisung, Kurs auf einen IFR Pflichtmeldepunkt, weit westlich unseres derzeitigen Kurses zu nehmen. Wieder kürzen wir etwas ab und ich setze die Überflugmeldung mehr nach Gefühl ab.

Diesmal wird der Controller jedoch misstrauisch und weist uns einen separaten Transpondercode zu. Das Radar ist unbestechlich und so schiebe ich alles auf den Wind und die dadurch verursachte Abdrift. Wir halten uns jetzt an den Kurs und erreichen eine halbe Stunde später Tortoli, unseren Ausweichflugplatz an der Ostküste. Die Spritbilanz hat sich durch den kleinen Umweg ein wenig verschlechtert, aber immer noch bleiben ca. 15 l Reserve. Das reicht für mehr als eine Stunde. Ich teile Jürgen meine Berechnung mit und wir beschließen, planmäßig bis Olbia weiterzufliegen. Wenig später erreichen wir Posada, den südlichen VFR Pflichtmeldepunkt zum Einflug in die Kontrollzone und ich melde uns bei Olbia Approach an. Vor uns liegt wieder die türkisblaue Bucht und der Flughafen ist schon von weit her gut sichtbar. Vom Controller erhalten wir die Landeinformationen und entsprechend dem gültigen Anflugverfahren dreht Jürgen jetzt nach Westen in den rechten Gegenanflug. Ich schalte auf die Tower-Frequenz um. Von jetzt an macht Jürgen auch den Funk und gibt unsere Position durch. Statt der erwarteten Anweisung, den Anflug fortzusetzen erhalten wir vom Tower-Lotsen jedoch den Spruch: „Delta Kilo Alpha Romeo Sierra, check your intention, the indicated wind is one eight zero, fifteen knots“.

Der Flughafen von Olbia hat nur eine Start- und Landebahn, etwa in Ost-West Richtung verlaufend und die angesagten Windverhältnisse bedeuten fast einen 90 Grad Seitenwind mit immerhin knapp 30 km/h. Viel zu viel für unsere in dieser Beziehung besonders empfindlich reagierende „IS“. Kein Wunder also, dass der Controller uns auffordert, unsere Landeabsicht noch einmal zu überdenken. Unsere 15 Liter Spritreserve würden zwar für einen Rückflug bis zum Ausweichflugplatz Tortoli gerade reichen, aber die Bahn dort verläuft genau so wie hier in Olbia und ist zudem wesentlich kleiner. Auch die Wahrscheinlichkeit, dort andere Windverhältnisse anzutreffen, ist mehr als gering.

Wir schauen uns kurz an, die Entscheidung liegt bei Jürgen. Der zuckt schließlich mit den Schultern und meldet: „Delta Kilo Alpha Romeo Sierra, continue for landing, turning final“. Gas raus, Fahrwerk ausfahren, Klappen 20°, Propeller auf Startstellung, alles längst Routine und doch lässt jede Landung mit der „IS“ den Puls etwas höher schlagen, zumal unter solch widrigen Bedingungen. Entweder stimmt der angesagte Wind überhaupt nicht oder Jürgen ist heute besonders gut drauf, die Landung ist butterweich und wie aus dem Lehrbuch. Es ist 12.23 Uhr UTC, seit unserem Start in Tunis sind 3 Stunden und 54 Minuten vergangen und wir haben genau 517 km zurückgelegt. Den größten Teil davon über das offene Meer.

Bella Italia

Wir stellen unsere Maschine in der Nähe der Tankstelle, neben einem deutschen Learjet ab. Tanken können wir jetzt aber nicht - Siesta. Also packen wir unsere Papiere zusammen und machen uns auf die Suche nach der Zollabfertigung. Das Büro finden wir schließlich, nur einen Zollbeamten können wir nirgends entdecken. Ohne aufgehalten zu werden gelangen wir durch den Transferbereich und stehen schließlich in der großen, belebten Abfertigungshalle. Erst nach längerem Suchen finden wir endlich einen Zöllner, der uns eine Menge unverständlicher Fragen stellt. Des italienischen nicht mächtig können wir nur ratlos mit den Schultern zucken. Der Beamte gibt schließlich auf und drückt seinen Stempel auf ein fast leeres Formular. Damit sind wir entlassen und stehen gleich darauf wieder in der Abfertigungshalle.

Der Magen knurrt und so gönnen wir uns zunächst einen kleinen Imbiss - Baguette, Eis und herrlichen Cappuccino. Jürgen ist etwas erschöpft, oder einfach nur faul, und so übernehme ich die Bedienung. Als ich mit den Getränken und Speisen balancierend zurückkomme, fängt er an zu lachen. Ich schaue an mir herunter, dann sehe ich ihn an und stimme in sein Lachen ein. Wir sehen aber auch wirklich abenteuerlich aus. In unseren abgewetzten Jeans, den verschwitzten T-Shirts, unrasiert und die Haare zerzaust bedürfen wir dringend einer zivilisatorischen Überholung. Offensichtlich nimmt aber keiner weiter Notiz von uns und so lassen wir es uns zunächst einmal schmecken.

Dabei beraten wir gleich unser weiteres Vorgehen. Das Tagesziel heißt Elba. Der Weg dorthin, übers Wasser wie beim Hinflug, ist unter der Woche jedoch von einem großen Flugverbotsgebiet versperrt. Lediglich eine IFR- Route führt in großer Höhe hindurch, für uns kommt das nicht in Frage. Es bleibt also nur der Weg durch französischen Luftraum, über Korsika. In unseren ICAO- Karten ist zwar auch Korsika eingezeichnet, aber es sind italienische Karten und speziell der Flugsicherungsaufdruck für Frankreich ist nur unter Vorbehalt zu gebrauchen. Zudem sind auch über Korsika mehrere Gefahren- und Beschränkungsgebiete eingezeichnet, zu denen wir dringend nähere Angaben benötigen. Wir machen uns also auf den Weg zur AIS, in der Hoffnung dort die notwendigen Informationen zu bekommen.

Während Jürgen versucht METAR und TAF zu interpretieren, bemühe ich mich, von einem freundlichen, aber recht hilflosen Flugsicherungsbeamten Einzelheiten über unsere geplante Route in Erfahrung zu bringen. Er drückt mir schließlich zwei französische AIP- Bände in die Hand, mit dem Hinweis, dies sei alles, was er über Frankreich zur Verfügung hätte. Der AIP ist steinalt und lange nicht aktualisiert, mein Kartenmaterial ist deutlich aktueller. Immerhin kann ich mir ein paar Anflugblätter von auf unserem Kurs liegenden Plätzen kopieren. Hoffentlich stimmen wenigstens die Frequenzen noch. Jürgen ist inzwischen mit dem Wetter im Klaren, ein Blick aus dem Fenster hätte das gleiche Resultat erbracht, und wagt noch eine Frage zur für morgen zu erwartenden Wetterentwicklung im Alpenraum. Lautes Lachen ist die Antwort. Wir verabschieden uns und begeben uns zur Flugleitung. Die Landeumlagen sind auch hier wieder erfreulich niedrig, alles zusammen rund 10 DM. Da wir die Luftraumgrenze überfliegen will ich noch einen Flugplan aufgeben. Dank unserem ELT ist das aber auch hier nicht nötig, wie mir der Controller versichert. Wir sind eben wieder in Italien.

Korsika, ein Abstecher nach Frankreich

Da die Mittagspause inzwischen vorüber ist, können wir jetzt ohne Probleme tanken. Ich werde diesen Streckenabschnitt fliegen und habe es mir schon auf dem Pilotensitz bequem gemacht, als mir das Fehlen meiner Brille auffällt. Ich frage Jürgen danach, der stutzt und fängt an, seine eigene Brille zu suchen. Nichts zu machen, ich klettere also wieder aus der Maschine und packe Stück für Stück unser gesamtes Gepäck wieder aus, ergebnislos. In der nächsten halben Stunde suche ich den ganzen Flughafen danach ab, während sich Jürgen um das Verstauen des Gepäcks kümmert. Langsam bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich die Brille auf dem Flug von Tunis hierher überhaupt noch hatte. Deswegen aber nach Tunis zurückzufliegen kommt nicht in Frage. Obwohl mir dieser Gedanke kurz kommt, verschwende ich weiter keine Zeit daran. Auch Jürgen hat seine Brille nicht gefunden, aber was soll’s, mit kleinen Verlusten muss man eben rechen.

Der Verbleib der Brillen sollte sich erst zu Hause, nach dem Entwickeln der Fotos aufklären. Auf einem, kurz nach der Landung in Olbia gemachten Bild hatte ich sie noch auf der Nase, womit Tunis als Ort des Verlustes eindeutig ausscheidet. Vermutlich liegt sie noch heute irgendwo in einer Ecke der Abfertigungshalle des Flughafens Olbia.

Wir starten durch die Suche mit etwas Verspätung und ohne mich weiter aufzuhalten, nehme ich Kurs auf die Nordspitze Sardiniens. Keine zehn Minuten später überfliegen wir die Küste, ich verabschiede mich von Olbia und schalte um auf Sud Corse Approach. Vor uns liegen lächerliche 50 km Wasser und noch bevor Sardinien hinter uns verschwindet taucht bereits die Küste Korsikas aus dem Dunst vor uns auf. Wegen der bis zu 3000 m aufragenden Berge dort steige ich bis auf FL 75. Die Luft ist in dieser Höhe frei von jeder Turbulenz und ich genieße den phantastischen Ausblick und den ruhigen Flug. Etwa 10 NM vor der Küste fliegen wir in französischen Luftraum ein. Ich rufe Sud Corse und setze meinen Standardspruch ab. Die Antwort erfolgt in französisch und erst auf meinen erneuten Ruf erhalten wir in fürchterlichem Englisch die Weisung, irgend einen unverständlichen Meldepunkt anzufliegen.

Jürgen studiert aufmerksam die Karte, kann aber nichts Vergleichbares finden. Auf Grund der Lage des Flugplatzes vermute ich den Wendepunkt etwas östlich unseres derzeitigen Kurses, drehe leicht nach Osten und melde etwa 5 Minuten später den Überflug. Sud Corse ist zufrieden und übergibt mich an die Approach Frequenz eines Militärflugplatzes an der Ostküste, mitten in dem bereits erwähnten Sperrgebiet. Die schlechten Erfahrungen mit dem Militärplatz bei La Spezia bestätigen sich hier jedoch nicht. Der freundliche und deutlich besser englisch sprechende Controller erlaubt uns den direkten Durchflug durch das Sperrgebiet, in Richtung Bastia. Das spart uns einen Umweg von fast 100 km über den Westen der Insel. Jürgen rastet den angewiesenen Transpondercode und macht sich an die Berechnung der neuen Route, während ich derweil den herrlichen Ausblick genieße.

Zum greifen nahe und bis in unsere Höhe aufragend liegen die urwüchsigen, teilweise sogar schneebedeckten Berge zu unserer Linken. Rechts dagegen breitet sich das Mittelmeer, soweit das Auge reicht. Jürgen hat inzwischen das GPS neu programmiert und versucht ein Signal vom VOR Bastia zu bekommen. Mit dem GPS bestimme ich den Ausflugpunkt aus dem Sperrgebiet, doch der Militär- Controller kommt mir zuvor, verabschiedet sich freundlich und übergibt mich an Bastia Approach. Wieder erhalten wir einen Meldepunkt mit unaussprechlichem Namen, der sich in unserer Karte nirgends finden lässt. Ich drehe etwas zur Küste und melde wieder auf Verdacht. Das rhythmische Blinken der Ident- Lampe des Transponders beruhigt mich dabei. Der Controller hat uns auf seinem Radarschirm und kennt unsere Position genau.

Es sind noch gut 15 NM bis Bastia, aber aus dieser Höhe erscheint der Flugplatz viel näher. Die Aktivitäten im Funk lassen auf regen Flugverkehr schließen. Da ich mich nur ungern in dieses Gedränge einreihen möchte, erbitte ich direkten Ausflug aus der Kontrollzone mit Kurs auf Elba. Wir erhalten die Genehmigung sofort und werden auch gleich an Roma Information verwiesen. Der Controller hat offenbar alle Hände voll zu tun und ist froh, uns los zu sein. Wie schon auf dem Hinflug spare ich mir den Kontakt mit Roma Information und schalte gleich auf die Frequenz von Marina di Campo. Wir fliegen jetzt fast genau Ostkurs und vor uns liegen wieder etwa 65 km Wasser. Die Sicht wird etwas schlechter, liegt aber immer noch bei wenigstens 50 km und schon nach kurzer Zeit kann ich weit voraus ein paar Wolken in dem grauen Dunst erkennen. Das reicht schon, um mir zumindest die anstrengende Fliegerei nach dem Wendezeiger zu ersparen.

Bescheidener Luxus auf Elba

Fast gleichzeitig kommen Elba und die flache Isola Pianosa in Sicht. Mehrfach schon habe ich den Tower von Marina di Campo gerufen. Erst kurz bevor wir Pianosa erreichen meldet er sich endlich und warnt uns hektisch, auf keinen Fall die kleine Insel zu überfliegen - Sperrgebiet. Auf dem Hinflug hat das niemand interessiert und auch in unseren aktuellen Karten ist nichts eingezeichnet. Ich drehe also nach Norden ab und beschließe, die Inseln in einem großen Bogen westlich zu umfliegen, um dann von Norden her den Platz auf der bekannten Route anzufliegen.

Ich freue mich auf die Landung, der steile Anflug ist schon recht außergewöhnlich. Ich gehe in den Sinkflug über und peile den ca. 700 ft hohen Bergrücken an, der bis zuletzt den Blick auf die Bahn versperrt. Nur langsam lasse ich die „IS“ sinken, um einen zwar steilen, dafür aber gleich bleibenden Anflugwinkel zu erreichen. „Gas raus!“ - Jürgen kann sich die Nörgelei nicht verkneifen. Ich reagiere noch nicht, erst als über dem Kamm des Berges das Ende der Bahn in Sicht kommt setze ich große Klappe, nehme das Gas voll raus und steuere den Gleitweg nur noch mit den Sturzflugbremsen. Wir rutschen über den Kamm und die „IS“ folgt brav dem Gefälle des Hanges, nicht mehr als 15-20 m über Grund. Alles passt, wir schweben genau über der Schwelle ein und setzen 16.37 Uhr UTC in Marina di Campo auf. Heute haben wir fast 800 km zurückgelegt, mein Sitzfleisch ist am Ende und wir sind müde und hungrig. Vor allem aber sehne ich mich nach einer Dusche. Da an Tanken heute ohnehin nicht mehr zu denken ist, stellen wir die „IS“ ordentlich ab, packen unsere Sachen und begeben uns auf die Suche nach einer Unterkunft.


Zum zweiten Mal auf Elba

Direkt am Rande des kleinen Flugplatzes befindet sich ein Hotel. Wir hatten es bereits bei unserem ersten Aufenthalt bemerkt, in Anbetracht der traurigen Erfahrungen aus Parma und unseres schmalen Budgets dann allerdings doch das Zelt vorgezogen. Der geräumige flache Bau macht einen sehr gepflegten Eindruck und hinter blühenden Sträuchern schimmert blau ein großer Pool. Es sieht alles recht teuer aus, doch diesmal sind wir fest entschlossen, eine ordentliche Unterkunft zu benutzen. Die Frage des Preises klärt sich dann rasch, etwa 110 DM für uns beide zusammen. Die Abstellgebühren für den Flugplatz sind übrigens inklusive. Das Zimmer ist sauber, mit SAT- TV, Minibar und geräumigem Bad. Was für ein Unterschied zu Parma.

Fünf Minuten später steht Jürgen schon unter der Dusche und ich versuche über den Fernseher aktuelle Wetterinformationen zu bekommen. Auf Star-TV finde ich schließlich einen brauchbaren Überblick mit Satellitenbild. Lediglich am Westrand der Apenninen hält sich die übliche Staubewölkung, sonst ist alles klar und auch die Aussichten für den morgigen Tag versprechen bestes Flugwetter. Endlich ist Jürgen fertig und ich genieße ausgiebig das erfrischende, kühle Nass.

Das Geheimnis des Scarabäus

Lautes Fluchen lässt mich schließlich diese angenehme Beschäftigung beenden. Auf Jürgens T-Shirt zeichnen sich erneut hässliche, blaugrüne Streifen ab und er macht seinem Unmut darüber lautstark Luft. Schon mehrfach auf dieser Reise hatten wir diese rätselhaften Streifen bemerkt, konnten uns ihre Herkunft jedoch nicht erklären. Die Annahme sie kämen von den Gurten der „IS“ mussten wir als haltlos abtun, da weder auf seiner Jacke, noch auf der Schwimmweste irgend etwas ähnliches zu entdecken ist. Es scheint geradezu als kämen die Streifen von innen. „Halte bloß Abstand, wer weiß was für merkwürdige Krankheiten du an dir hast...“ frotzle ich. Jürgen hat den Schaden und muss schon wieder waschen, während ich mich genüsslich auf dem Bett ausstrecke und vor mich hin döse. Plötzlich steht Jürgen wieder in der Tür zum Bad, das tropfnasse T-Shirt in den Händen. „Ich hab’s!“ ruft er und weist auf seine nackte Brust. Unter dem Gewirr rotblonder Haare erkenne ich auch hier deutlich die bewussten Streifen. Davor baumelt ein kleiner Keramik-Scarabäus, an einer Lederkordel. Vor dem Start hatte er ihn von seiner Frau, als Talisman erhalten und seitdem ständig getragen. Durch den Schweiß hatte sich die Farbe der Lederkordel auf Haut und Kleidung übertragen. Also war auch dieses Geheimnis endlich gelüftet. Mit dem Gedanken, welch tiefsinnigen Probleme auf einem solchen Flug doch zu lösen sind, schlafe ich schließlich ein.

Ich weiß nicht, was lauter ist, das Knurren meines Magens, oder Jürgens Schnarchen. Jedenfalls habe ich einen gewaltigen Hunger, als ich schließlich aufwache. Fast zwei Stunden habe ich geschlafen und fühle mich zum ersten Mal seit Tagen wieder richtig erholt. Der Versuch Jürgen zu wecken scheitert kläglich und so mache ich einen kleinen Spaziergang durch das fast menschenleere Terrain des Hotels. Jetzt, am Abend, ist die Luft angenehm mild, doch die südliche Sonne strahlt noch mit unverminderter Kraft und am Rande des Pools stehende Liegestühle laden zum Sonnenbad ein. Jetzt fehlt nur noch ein kühler Drink und das Urlaubsidyll ist perfekt. Schon der Gedanke daran lässt aber meinen Magen wieder knurren und so mache ich mich doch daran, Jürgen zu wecken. Wir gönnen uns ein opulentes Mahl im Restaurant am Flugplatz, die gut drei Kilometer bis in den Ort schenken wir uns einstimmig. Bei einem guten Wein besprechen wir den nächsten Tag, Ziel ist zunächst Verona. Wir sind uns aber einig, morgen soweit wie irgend möglich zu fliegen. Das Wetter ist zwar immer noch sehr gut, aber vor uns liegen noch die gewaltigen Alpen. Wir telefonieren noch kurz mit unseren Frauen und ich glaube bei Jürgen noch einen anderen Grund, möglichst schnell nach Hause zu kommen, zu bemerken...
 

Neunter Tag, Gewitter über den Alpen
 


Abschied vom Meer

Ich habe tüchtig Probleme, aus den Federn zu kommen, aber Jürgen ist unerbittlich. Während ich noch mit der Morgentoilette beschäftigt bin packt er schon unsere Sachen und drängelt dabei immer wieder zur Eile. Es ist gerade 7.30 Uhr und ich kann gar nicht verstehen, wie man um diese nächtliche Zeit schon so aktiv sein kann. Die Hotelrechnung haben wir schon am Abend beglichen und so begeben wir uns gleich zum Flugplatz. Dort ist noch alles ruhig, aber immerhin hat die kleine Bar geöffnet und wir gönnen uns erst mal ein Frühstück. Gestärkt und endlich richtig munter verstaue ich rasch das Gepäck in der Maschine. Bei der obligatorischen Vorflugkontrolle wird mir bewusst, wie dreckig unsere einst schneeweiße „IS“ geworden ist und ich versuche, wenigstens die Cockpitverglasung notdürftig zu säubern - zwecklos. Da auch die üblichen Formalitäten nach italienischer Art schnell erledigt sind, stehen wir bereits 9.30 Uhr am Start.

Jürgen fliegt und nach einer Abschiedsrunde über dem Hafen von Marina di Campo nimmt er Kurs auf die italienische Küste bei Castiglioncello. Dort beginnt die veröffentlichte VFR - Route durch die Pisa CTR. Vor uns liegen etwa 65 km Wasser, aber rechts von uns ist ständig die italienische Küste zu sehen und so hat Jürgen auch keine Probleme, die Maschine zu steuern. Dennoch dreht er fast unmerklich, aber kontinuierlich nach rechts, ich bemerke es nur an der unbestechlichen Anzeige des GPS. Ich kann diese Reaktion zwar verstehen, auch ich habe langsam die Nase voll vom Wasser, aber jeder Umweg kostet nur unnötig Sprit und so mache ich ihn doch darauf aufmerksam. Schließlich erreichen wir Castiglioncello und folgen der Küste in Richtung Norden. Über Funk halten wir Kontakt mit Pisa Approach. Der Controller dort hat richtig Stress, mehrere Maschinen befinden sich gleichzeitig im Anflug auf den Platz und wir achten sehr darauf, die vorgeschriebenen 1500 ft AGL nicht zu überschreiten. Die obligatorische Bewölkung über den Apenninen ist heute etwas aufgelockert. Überhaupt ist das Wetter geradezu prächtig und so können wir uns diesmal den Umweg über Genua sparen. Bei Massa drehen wir auf nordöstlichen Kurs, direkt Richtung Parma und gehen in den Steigflug um die hohen Berge zu überwinden. Ein letzter Blick zurück - mit gemischten Gefühlen nehmen wir jetzt endgültig Abschied vom Meer.

Mit gut 5500 ft MSL (etwa 1700 m über dem Meeresspiegel) überfliegen wir das Gebirge und dank der verhältnismäßig guten Sicht habe ich diesmal Gelegenheit, den Reiz der Landschaft richtig zu genießen. Nur Jürgens Fragen nach Angaben zur Navigation reißen mich aus dem Schauen. Er muss eben immer „mit dem Finger auf der Karte“ fliegen. Was soll der Stress? Ich verweise ihn auf die Anzeige des GPS, der Ablagezeiger steht exakt in der Mitte, und widme mich wieder der Aussicht. Die Berge vor uns weichen jetzt langsam zurück und geben den Blick auf die wie immer dunstige Poebene frei. Da Parma keine eigene Approach Frequenz hat, versuche ich notgedrungen Kontakt mit Milano Information aufzunehmen. Nach mehreren Anrufen meldet sich ein Controller auf italienisch und ich setze unseren Standartspruch ab: „Delta Kilo Alpha Romeo Sierra; India Sierra two eight; VFR from Marina di Campo to Verona Boscomantico; Position twenty nautical miles south to south west of Parma; Altitude fourthousand fivehundred feet; squaking zero six zero five; for traffic information.“ Wieder kommt die Antwort zunächst auf italienisch, dann eine neue Stimme, jetzt in schwer verständlichem italo-englisch, die uns anweist unverzüglich auf 1500 ft zu sinken.

Weitere Informationen kommen wieder nur auf italienisch. Ich bestätige also die Anweisung zum Sinkflug und schalte dann gleich um auf Garda Approach. Wir haben Parma inzwischen hinter uns gelassen und nähern uns jetzt der großräumigen Garda CTR. Wie schon beim Hinflug erhalten wir problemlos eine Durchfluggenehmigung, mit der Anweisung, zunächst direkt bis Sirmione an der Südküste des Gardasees zu fliegen. Von dort dann, auf Ostkurs, geht es weiter bis zu dem kleineren, von den Sportfliegern genutzten Militärflugplatz Verona Boscomantico. Damit bleiben wir sicher außerhalb des Nahverkehrsbereiches des großen Verkehrsflughafens von Verona. Die Sicht hier in der Poebene ist miserabel und statt des erwarteten grandiosen Anblickes der Alpen zeichnen sich im Norden nur riesige Wolkentürme im Dunst ab. Mit dem Weiterflug über die Alpen wird es wohl nichts werden, denke ich mir und freunde mich schon mal mit dem Gedanken an, doch noch zu meiner Stadtbesichtigung in Verona zu kommen.

Ein blindes Huhn...

Zunächst heißt es jedoch erst mal bis dort hin zu kommen. Je mehr wir uns dem Gardasee nähern, um so schlechter wird die Sicht. Obwohl nur noch 3-4 NM entfernt können wir weder den See noch die Landzunge von Sirmione sicher ausmachen. Ich habe jedoch die Koordinaten in unser GPS „gefüttert“ und brauche mir darum jetzt keine Sorgen um die Navigation zu machen. Auch das VOR von Verona bestätigt mir unsere Position. Da der Dunst immer dichter wird kürzen wir etwas ab. Jürgen dreht etwa 2 NM südlich des Meldepunktes auf Ostkurs und ich versuche mich durch ein „just inbound Sirmione“ aus der Schlinge zu ziehen. In der Nähe des Verkehrsflughafens nimmt es der Controller jedoch genau mit den Positionsangaben und korrigiert mich sofort: „your actual position is two nautical miles south of sirmione“. Manchmal kann das Radar schon recht lästig sein.

Ich bestätige sofort und Jürgen lässt die „IS“ etwas nach Norden abfallen. Schließlich muss der Controller bei der herrschenden schlechten Sicht damit rechnen, dass wir uns tatsächlich geirrt haben und in diesem Falle ist solch ein Hinweis unter Umständen lebenswichtig. Ein Fehler in der Positionsbestimmung um 2 NM kann in der Nähe eines Verkehrsflughafens verheerende Folgen haben. Ich schlucke also meinen Unmut und konzentriere mich lieber auf die Suche nach unserem Zielflugplatz. Noch können wir ihn beide nicht erkennen, obwohl die Entfernung laut GPS weniger als 3 NM beträgt. Während ich weiter angestrengt Ausschau halte, geht Jürgen in den Sinkflug und auf Landekonfiguration. 2 NM, laut GPS muss der Platz direkt vor uns liegen, doch ich kann ihn noch immer nicht finden.

Schließlich glaube ich ihn etwas nördlich unseres Kurses auszumachen und zeige Jürgen die Richtung. Fehlanzeige, was wie ein Flugplatz aussah entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als graues Feld. Eine NM, und noch immer nichts, wir sind noch etwa 800 ft hoch und ich mache mir langsam Sorgen. Jürgen scheint sich seiner Sache jetzt jedoch sicher und deutet mit der Hand voraus: „Bist du denn blind?“ - offensichtlich, denn ich sehe immer noch nichts. Erst im „Short Final“, keine 500 Meter vom Platz entfernt, erkenne ich endlich, worauf Jürgen da zuhält. Die alte Asphaltbahn ist fleckig-grau geworden und kaum von der Umgebung zu unterscheiden. Jürgen hat jedoch die abgestellten Flugzeuge am Rande entdeckt und dann diesen Streifen als Landebahn identifiziert. Es ist 11.53 Uhr, als wir auf der holperigen Bahn von Verona Boscomantico aufsetzen.

Von hier unten sieht das Wetter viel besser aus, von dem starken Dunst merkt man hier kaum etwas. Am Rande des Platzes ist ein flaches Holzhaus zu sehen, auf dessen großer, schattiger Terrasse einige Leute sitzen. Das Haus ist erfreulicher Weise eine Gaststätte und so setzen wir uns dazu und gönnen uns einen kleinen Imbiss, Cappuccino und ein herrliches Eis. Der Flugplatz macht in der Tat den Eindruck eines etwas verschlafenen Segelfluggeländes und nur die großen rostigen Hallen und ein alter Gitterturm auf der anderen Seite der Bahn stören die Idylle. Vermutlich sind es die im Anflugblatt bezeichneten militärischen Anlagen. Sonst ist jedenfalls nichts von der Armee zu sehen. Eine kleine 152er Cessna dreht Platzrunden und die anderen Gäste auf der Terrasse scheinen zu einer Flugschule zu gehören.

Kulturelle Ambitionen

Während wir noch unser Eis schlecken macht mir Jürgen klar, dass er unbedingt heute noch über die Alpen möchte. Das entspricht allerdings so rein gar nicht meiner derzeitigen Urlaubsstimmung. Ich würde viel lieber einen Tag Pause einlegen, um die Sehenswürdigkeiten des historischen Verona zu besichtigen. Die Wetterlage wird jedoch zunehmend labiler, wie ein Blick auf die bedrohlichen Wolkentürme über dem Gebirge anschaulich bestätigt. Diesem Argument kann ich mich nicht entziehen, auch ich verspüre wenig Lust, auf irgendwelchen „Schleichpfaden“ tief unten in den Tälern den Weg durch die Alpen zu suchen. Also machen wir uns auf den Weg zur Flugleitung. Vielleicht, so tröste ich mich, sind die Alpen ja bereits dicht und der Weiterflug ohnehin nicht möglich.

Die unscheinbare Vereinsbaracke ist hervorragend ausgestattet, sogar ein METEOSAT Empfänger ist vorhanden. Während Jürgen sich um die Bezahlung und die üblichen Formalitäten kümmert ,schaue ich mir auf dem Monitor die Satellitenbilder der letzten zwölf Stunden an. Wie im Zeitraffer kann man hier die Wolkenentwicklung verfolgen und zusammen mit den METAR-Angaben und den aktuellen TAF’s erhält man ein sehr gutes Bild von der Wetterentwicklung. Direkt über unserem geplanten Flugweg, über dem Brenner, zeigen die Satellitenbilder eine sich rasch vergrößernde Wolkenformation und die TAF’s von Innsbruck und Bozen melden vereinzelt Blitze. Die Wolkenbasis liegt jedoch noch über 12.000 ft und die aktuellen Sichtweiten werden mit größer zehn Kilometer beziffert. Auch sieht die Wolkenformation noch recht harmlos aus, wohl aber mehr durch den großen Maßstab des Satellitenbildes bedingt. Ich weis nicht recht, was ich davon halten soll.

Derweil hat Jürgen unsere Landeumlagen bezahlt und berichtet, dass wir hier zwar Kraftstoff bekommen, ihn aber nicht bezahlen können. Kreditkarten werden nicht akzeptiert und unsere gesamte Barschaft beläuft sich auf nicht mehr als 30.000 Lira. Die Wetterlage scheint mir aber nicht dazu angetan, den Flug heute noch fortzusetzen, und lässt eine leise Hoffnung in mir aufkeimen, vielleicht doch noch nach Verona zu kommen. Während Jürgen sich jetzt seinerseits mit dem Wetter vertraut macht, erkundige ich mich beim Flugleiter nach einer Möglichkeit, in die Stadt zu kommen. Die Auskunft ist niederschmetternd: Ein Bus fährt erst am Abend wieder und die Entfernung beträgt gut 25 Kilometer, womit auch ein Taxi ausscheidet. Einen Geldautomaten gibt es auch nur in der Stadt. Damit verabschiede ich mich endgültig von dem Gedanken an eine Stadtbesichtigung und überschlage kurz unsere Spritreserven: Wir haben noch gut 20 Liter im Tank, das reicht für wenigstens eine Flugstunde plus 30 Minuten Reserve. Damit kämen wir bequem bis Bozen und notfalls auch wieder zurück bis nach Trento. Jürgen schätzt das Wetter offensichtlich etwas optimistischer ein und will nach wie vor den Sprung über die Alpen versuchen. Auch er möchte jedoch zunächst nach Bozen. Dort könnten wir auftanken und nochmals aus der Nähe das Wetter begutachten. Also auf nach Bozen.

In der Gewalt der Berge

Verona Boscomantico ist ein unkontrollierter Platz und so brauche ich mich nicht um Roll- oder Startfreigaben zu kümmern. Der Funkverkehr wird hier übrigens genauso lasch gehandhabt wie an deutschen Vereinsplätzen und so verabschiede ich mich gleich nach dem Start von Verona und melde uns bei Garda Approach an. Unser Kurs führt diesmal nicht über den Gardasee, sondern durch ein Tal, etwa zehn Kilometer östlich davon, entlang der Brennerautobahn. Während ich nach Norden drehe kann ich noch einen etwas wehmütigen Blick auf das nahe Verona werfen. Vielleicht finde ich ja während meines Familienurlaubes im Sommer eine Gelegenheit, diese Stadt zu besuchen.

Um die Navigation brauchen wir uns zunächst keine Sorgen zu machen, die Autobahn ist weithin sichtbar und wird uns sicher bis Bozen führen. Noch ist das Tal sehr breit, doch die Berge um uns herum sind schon beachtlich hoch. Die Wolken voraus verdichten sich stetig und nehmen recht bedrohliche Strukturen an. Noch scheint jedoch die Sonne hindurch und das schroffe Spiel von Licht und Schatten gibt der Landschaft einen eigentümlichen Reiz. Kurz vor Trento macht das Tal einen leichten Knick nach Osten und wird zunehmend enger. Die Berge fallen hier steil zur Talsohle hin ab und die inzwischen geschlossene Wolkendecke liegt auf den Kämmen zu beiden Seiten auf. Wir fliegen wie in einem Tunnel, etwa auf halber Höhe der uns umgebenden Berge. Langsam wird die Sicht schlechter und die Turbulenzen nehmen zu. In Anbetracht unserer Erfahrungen aus den Apenninen versuche ich mich an der östlichen Talseite zu halten um gegebenenfalls genug Platz für eine Kehrtkurve zu haben.

Wir überfliegen Trento und erste Regentropfen ziehen ihre Spuren über die Cockpitverglasung. Die Wolken drücken uns auf unter 2000 ft und ich mache mir langsam Gedanken, ob Bozen überhaupt noch anfliegbar ist. Etwa acht Kilometer weiter macht das Tal wieder einen Knick, diesmal nach Westen, und die Talsohle steigt spürbar an. Es ist nicht mehr viel Luft zwischen Himmel und Erde. Ein schwerer Schauer lässt die Sicht schlagartig unter jedes vertretbare Maß sinken, doch an Umkehr wage ich in dem engen Tal nicht einmal zu denken. Während ich den Tower von Bozen rufe, versuche ich den dichten Regenvorhang mit meinen Blicken zu durchdringen. Direkt unter uns erkenne ich undeutlich die Autobahn und folge ihr so gut es eben geht. Nur den Hängen nicht zu nahe kommen.

Von starken atmosphärischen Störungen überlagert empfange ich endlich die Stimme der Controllerin in Bozen. Ich melde unsere Situation und bitte um aktuelle Wetterinformation. Sie macht mir Hoffnung, die Sicht am Platz ist größer als zehn Kilometer und die Wolkenbasis liegt bei über 2000 ft. Einschränkend erwähnt sie jedoch einzelne Schauer, in denen die Bedingungen dann wesentlich schlechter seien. In genau solch einem Schauer stecken wir gerade und es dauert noch schier endlose fünf Minuten, bis es voraus langsam heller wird und auch die Wände des Tals wieder deutlicher zu sehen sind. Noch „kleben“ wir an den Wolken, doch auch die ziehen sich langsam nach oben zurück. Das Tal wird hier wieder etwas breiter und die Anspannung der letzten Minuten legt sich.

Es ist erstaunlich wie schnell sich hier, in den Bergen, die Wettersituation ändert. Wir folgen weiter der Autobahn, das Terrain ist vertraut und das Wetter spielt jetzt bis Bozen mit. Der Schauer steckt offensichtlich in dem Tal, wie der Korken in der Flasche. Genau an der engsten Stelle, bei Trento. Voraus weichen jetzt die Hänge zurück und Stadt und Flugplatz kommen in Sicht. Vereinzelt blinzelt sogar wieder die Sonne zwischen den Wolken hindurch und Jürgen mustert die vor uns liegenden Gipfel, wie auf der Suche nach einem Weg sie zu überqueren. Im Moment habe ich jedoch nur die Landung im Sinn. Mit etwa 1200 ft schweben wir in einem großen Bogen über die Stadt und drehen in den Endteil auf die Eins Acht. Es ist 16.20 Uhr als wir mit einem sanften Ruck in Bozen aufsetzen. Dieser Flug war mit seinen gerade mal 70 NM und 55 Minuten Flugzeit der bisher kürzeste auf dieser Reise, aber bestimmt war er nicht der leichteste.

Geben wir es uns

Ohne uns weiter aufzuhalten rollen wir sofort zu der kleinen Tankstelle und während Jürgen sich um die Betankung kümmert, checke ich noch einmal gründlich unsere Maschine. Wir haben uns darauf geeinigt, auf jeden Fall heute noch die Alpenüberquerung zu versuchen, also gilt es, rasch alles vorzubereiten um die letzten Stunden des Tages zu nutzen. Um diese Jahreszeit wird es etwa gegen 20 Uhr dunkel. Das bedeutet, wir müssen spätestens 18 Uhr in der Luft sein, um Augsburg noch sicher vor Sonnenuntergang zu erreichen. Ich überlasse dann auch Jürgen die Kontrolle des Triebwerks, als Motorseglerwart versteht der ohnehin mehr davon, und begebe mich zu dem kleinen Tower des Flugplatzes. Wieder die obligatorischen Formulare ausfüllen, Flugplan aufgeben und die Zollformalitäten erledigen. Mittlerweile ist das alles längst Routine und ich halte mich nicht weiter damit auf.

Dennoch ist es schon 17 Uhr, als ich mit der Kartenvorbereitung und dem Programmieren des GPS fertig bin. Inzwischen ist auch Jürgen eingetroffen und gemeinsam gehen wir in die Flugleitung, zur Wetterberatung. Hier gibt es erst mal ein Wiedersehen mit der freundlichen Controllerin, die wir schon auf dem Hinflug kennen gelernt hatten. Sie überschüttet uns mit einer wahren Flut von Fragen nach dem Verlauf unserer Reise. Während wir uns noch bemühen, ihr Rede und Antwort zu stehen, mustert sie meinen Flugplan und ruft über einen etwas antiquierten Computer die aktuellen Wetterdaten ab. Ihr hübsches Gesicht nimmt dabei einen mehr und mehr besorgten Ausdruck an. Die Bedingungen in Innsbruck und Augsburg sind zwar nicht optimal, aber durchaus fliegbar: Sichtweiten zwischen 5 und 8 km und nur vereinzelte Schauer. Die Station auf dem Brennerpass meldet jedoch ein nach Osten abziehendes schweres Gewitter und von Westen her kündigt sich bereits das nächste an. Wenn wir sofort starten könnten wir es vielleicht noch schaffen, durch die Lücke zu schlüpfen.

Wir beraten uns kurz, die Zeit drängt und die Entscheidung ist schwierig. Die Chance ist zwar klein, aber bei der gegenwärtigen Wetterentwicklung vielleicht die einzige für die nächsten Tage. Ich werde diesen Streckenabschnitt fliegen und lauere auf ein Wort des Zweifels, der Bedenken von Jürgen, hinter dem ich mich verstecken könnte. Der jedoch sagt nichts, schaut mich nur an. Das ist unfair, denke ich und noch während mir die wildesten Gerüchte über unbeherrschbare Turbulenzen, Scherwinde und Hagelschauer durch den Kopf gehen nicke ich langsam, fast gegen meinen Willen: „Geben wir es uns...“

Jetzt, da die Entscheidung gefallen ist, gilt es rasch zu handeln, wollen wir die Chance nicht verpassen. Der Gedanke an die möglichen Gefahren wird in die tiefste Ecke des Bewusstseins verbannt. Wir verabschieden uns von der jungen Frau, müssen ihr noch versprechen, auch ja kein Risiko einzugehen und keine fünf Minuten später rollen wir an den Start. Über Funk höre ich die Meldungen einer italienischen Maschine, die sich im Landeanflug auf Bozen befindet. Jürgen hat sie schon gesichtet und deutet nach Norden. Es ist eine kleine „Maule“ mit Skiern, die jetzt in den Endteil eindreht.

Der Pilot hat unsere Startmeldung offensichtlich gehört, denn aus den Kopfhörern tönt es jetzt in herrlichem Tiroler Dialekt: „Bleibt’s wos seids, hier drobm geit nix!“ Den Rat dieses anscheinend mit dem Gebirge vertrauten Fliegers können wir nicht ignorieren. Noch während die „Maule“ aufsetzt rolle ich zum Abstellplatz zurück und mit hörbarer Erleichterung nimmt die Controllerin meine Abbruchmeldung entgegen. Kaum habe ich das Triebwerk abgestellt, als auch schon die kleine Maschine neben uns heranrumpelt. Da der Pilot zunächst keine Anstalten macht seine Maschine zu verlassen, haben wir Gelegenheit, die seltsame Konstruktion näher zu betrachten. Es ist ein abgestrebter Schulterdecker, ähnlich einer Piper Cup, nur viel gedrungener und mit den gewaltigen Skiern ähnelt sie ein wenig einer Mücke in Galoschen. Für die Bedingungen im Gebirge scheint sie jedoch wie geschaffen: kurze Start- und Landestrecken und die Möglichkeit, notfalls auch mit einem Schneefeld als Piste klar zu kommen.

Jürgen unterhält sich schon mit dem inzwischen ausgestiegenen Piloten. Wie sich herausstellt besitzt er eine Berghütte, oder besser ein kleines Hotel direkt am Brennerpass inklusive einer Flugpiste direkt auf dem Gletscher. Er war zum Einkaufen in Verona und eben auf dem Weg nach Hause, als ihn das Gewitter zur Umkehr gezwungen hat. Dennoch macht er uns Hoffnung, im Westen klare es langsam auf und spätestens in einer halben Stunde wolle er es noch einmal versuchen. Er zückt jetzt ein Handy und nach einem kurzen Gespräch mit seiner Frau zu Hause bestätigt er: Das Gewitter ist fast abgezogen, der Hagel lässt schon nach und im Westen scheint auch wieder die Sonne.

Flucht vor dem Gewitter

Wir verabschieden uns von ihm und gehen etwas unentschlossen zurück zu unserer „IS“. Da der einheimische Pilot wieder in seiner Maschine verschwunden ist und sein Triebwerk angelassen hat machen auch wir uns wieder startbereit. Jürgen hat die Idee, die „Maule“ als eine Art Vorauskommando zu nutzen. Wir würden ihm etwa zehn Minuten Vorsprung lassen und hören dann über Funk, ob ein Start überhaupt Zweck hat. Das spart Sprit und Kosten. Die Idee ist gut, doch die Warterei zieht sich in die Länge. Offensichtlich hat unser „Maule“ Pilot den gleichen Gedanken und wartet nur darauf, dass wir starten. Die Zeit wird langsam knapp, schließlich müssen wir noch bis Augsburg und so tue ich ihm schließlich den Gefallen und mache den Anfang. Es ist 17.28 Uhr local als die „IS“, zum dritten Mal an diesem Tag, in die Luft steigt.

Jetzt heißt es erst mal steigen, steigen, steigen. Der direkte Weg über „November“, wie beim Hinflug, ist nicht zu schaffen. Viel zu steil steigt die Talsohle dort an. Der Weg nach Westen, über die Autobahn nach Milano und dann weiter durch das Ötztal sieht zwar im Moment ganz freundlich aus, wird aber durch das nachfolgende Gewitter versperrt sein, lange bevor wir das Tal erreicht haben werden. Also bleibt nur der Weg nach Nord-Osten, über „Echo“ und entlang der Brennerautobahn. Die bedrohlich- schwarzen Wolkentürme dort stimmen mich nicht gerade optimistisch, aber durch den Steigflug kommen wir nur langsam voran und das Gewitter soll ja auch nach Osten abziehen. Wir erreichen den Pflichtmeldepunkt „Echo 1“ knapp zehn Minuten nach dem Start in etwa 3500 ft. Die „IS“ steigt ganz gut und auch die Turbulenzen halten sich noch in Grenzen. Im Funk machen sich jedoch zunehmend atmosphärische Störungen bemerkbar, die Nähe des Gewitters ankündigend. Voraus macht das Tal eine Biegung nach Norden und wird zunehmend schmaler.

Ich folge wieder der östlichen Talseite und es gelingt mir ganz gut, die Bewegung der Luftmassen zum Steigen zu nutzen. Das Variometer schlägt teilweise bis über 5 m/sec nach oben aus. Durch die Nähe der Berge sind nur die Spitzen der Gewitterwolken zu sehen und es ist schwer, den Verlauf der Front von hier aus zu beurteilen. Der Pilot der „Maule“ scheint unmittelbar nach uns gestartet zu sein, noch habe ich die kleine Maschine jedoch nicht in Sicht. Jürgen hat die kurzen italienischen Funksprüche offenbar ebenso interpretiert und hält aufmerksam Ausschau. Schließlich deutet er auf einen kleinen Punkt schräg voraus und deutlich über uns. Ja, es ist die „Maule“, aber sie kommt näher, scheint bereits wieder auf dem Rückflug. Das stimmt mich nicht gerade optimistisch, im Moment denke ich aber nicht weiter darüber nach. Langsam bekomme ich Übung darin, den Aufwind über den Hängen richtig zu nutzen. Je enger das Tal wird, um so öfter muss ich jedoch die Talseite wechseln, um den Fallwindgebieten auszuweichen. Voraus wird es immer dunkler und bedrohlicher. Der letzte Berghang vor der Biegung gleitet vorüber und gibt den Blick nach Norden frei...

Es verschlägt uns beiden die Sprache, keine zehn Kilometer vor uns breitet sich das mit Sicherheit gewaltigste Gewitter aus, das ich je zu Gesicht bekommen habe und macht jede Hoffnung auf einen Weiterflug jäh zunichte. Wir haben jetzt fast 7000 ft erreicht, die Sicht ist ausgezeichnet und doch können wir die Wolkenformation noch immer nicht in ihrer ganzen Ausdehnung überschauen. Es handelt sich nicht um eine Gewitterfront, wie sie in unseren Breiten häufig anzutreffen ist, sondern um ein einziges, gewaltiges Wolkengebilde von wenigstens 100 km Ausdehnung. Die charakteristischen, ambossförmigen Spitzen werden zum Teil durch eine hohe Quellbewölkung verdeckt, doch das unaufhörliche Zucken der Blitze in den fast schwarzen, brodelnden Wolkenmassen lässt keinen Zweifel. Es ist ein schaurig grandioses Naturschauspiel das sich uns hier bietet. Ich wage mir nicht vorzustellen, was mit unserer zerbrechlichen Maschine geschehen würde, kämen wir auch nur in die Nähe dieser Naturgewalten.

Etwas unschlüssig lasse ich die „IS“ in einem Aufwindgebiet kreisen. Jürgen deutet nach Westen, dort sieht es nach wie vor deutlich besser aus, doch die Höhe reicht noch nicht, um die Berge zu überfliegen. Noch wollen wir beide nicht aufgeben. Zwischen dem Knacken und Prasseln der atmosphärischen Entladungen höre ich ein schwaches Piepsen: Das GPS meldet sich. Ein Blick in die Karte bestätigt, wir haben „Echo“ erreicht, den Pflichtmeldepunkt zum Ausflug aus der Kontrollzone Bozen. Ich rufe den Tower, schildere kurz unsere Situation und die weiteren Absichten. Sehr genau beobachte ich die Entwicklung des Gewitters. Es sieht nicht danach aus, als wolle es abziehen, also auf nach Westen. Wir haben jetzt knapp 8000 ft, das sollte reichen, um den Sprung zu schaffen. Unser Ziel ist das schmale Tal, dem wir schon auf dem Hinflug gefolgt sind. Die Alm unter uns steigt jetzt steil an. Der Grat erscheint viel zu hoch und ich schiebe das Gas bis zum Anschlag vor. Es passt, unheimlich dicht gleiten die Felsen vorüber, dann weichen sie jäh nach unten zurück. Wir haben das Tal erreicht und ich folge seinem Verlauf nach Norden. Kaum zehn Kilometer weiter haben wir das Gewitter wieder direkt vor uns. Allerdings scheint es hier nicht mehr ganz so mächtig, nur vereinzelt ist das Aufleuchten der Blitze zu sehen und weit im Westen scheint auch wieder die Sonne durch kleine Lücken. Ich lasse die „IS“ etwas nach Westen abfallen und Jürgen sucht in der Karte nach der Höhe des Kammes, der unser Tal dort begrenzt.

Im Gebirge ist es sehr schwierig einzuschätzen, ob die Flughöhe ausreicht, einen angeflogenen Kamm sicher zu überwinden. Man hat immer den Eindruck, der Grat sei viel zu hoch und erst die Kartenangabe gibt, im Vergleich mit dem Höhenmesser, die notwendige Sicherheit. Zudem sollte man einen Kamm immer im spitzen Winkel anfliegen. Im Lee eines Hanges treten oft starke Fallwindgebiete auf, die auch mehrere hundert Fuß Höhenreserve in Sekunden aufzehren. Kein noch so starkes Triebwerk kann das kompensieren und zum Abdrehen ist dann verteufelt wenig Zeit und Platz. Die Liste der auf diese Weise zerschellten Maschinen ist lang und ich möchte sie keinesfalls noch erweitern.

In unserem Fall scheint aber alles zu passen. Über dem Grat erstreckt sich ein flacher, recht harmlos ausschauender Wolkenausläufer. Nach Gewitter sieht der nicht aus und so steuere ich jetzt auf die etwa 300 ft breite Lücke zwischen Kamm und Wolken zu. Unsere Rechnung scheint aufzugehen, ich kann jetzt bereits in das benachbarte Tal sehen und offensichtlich ist dort der Weg nach Norden frei. Der Hang kommt rasch näher, nur knapp 200 ft trennen uns von der steilen Alm und die vom Regen klare Luft lässt jedes Detail überdeutlich hervortreten. Jürgen, der unterdessen ständig das Gewitter beobachtet hat, meint, es käme jetzt schneller auf uns zu, als ihm lieb sei. Bemüht, die zunehmenden Turbulenzen auszugleichen, konzentriere ich mich auf den Überflug und kümmere mich nicht weiter darum. Kaum 1000 Meter sind es noch bis zum Kamm. Mein Blick saugt sich daran fest - und ist geblendet vom grellen Aufleuchten eines gewaltigen Blitzes, der aus der doch so harmlos aussehenden Wolkenschicht direkt vor uns in die Alm schlägt. Mit aller Kraft reiße ich das Steuer herum, zwinge die „IS“ in eine weit über 60 Grad steile Kehrtkurve. Das Aufheulen des Triebwerkes geht unter in dem lauten Donner, der uns erreicht. Das Spiel ist aus. Keinen Gedanken verschwende ich an einen weiteren Versuch. Nichts wie weg hier, zu ungleich ist das Verhältnis der Kräfte.

Der Schreck sitzt mir in den Gliedern und lässt die Knie zittern. Wir haben fast 9000 ft und bis Bozen sind es nicht mehr als 25 NM, aber dennoch kann ich mich nicht entschließen, das Gas heraus zu nehmen. Im Sinkflug, mit Vollgas und über 200 km/h fliehe ich regelrecht vor den Naturgewalten. Immer wieder geht mein Blick zurück, doch noch sehe ich nur lauter rote Zickzacklinien. Auch Jürgen hat keine Einwände gegen die Umkehr. Er sieht blass aus, aber vielleicht liegt das auch nur an dem fahlen Licht. Jedenfalls dreht auch er sich häufig um und versucht die Zugrichtung des Gewitters einzuschätzen. Es scheint, als würde es uns folgen. Nur langsam vergrößert sich der Abstand. Ich rufe jetzt Innsbruck, um unsere Umkehr zu melden und den Flugplan zu schließen. Erst nach dem dritten Anruf erhalte ich schwach und unter starken Störungen die Empfangsbestätigung. Das Gewitter steht wie eine Wand zwischen uns und es ist fast ein Wunder, dass überhaupt eine Verbindung zustande kommt. Jürgen drängelt mich jetzt, endlich das Gas raus zu nehmen: So kommen wir nie runter! Er hat recht, wir fliegen immer noch in fast 8000 ft und bis zum Platz sind es nur noch knapp 12 NM. Also schalte ich das Triebwerk ab und den Propeller auf Segelstellung.

Wir leben noch

Im Gleitflug, bei knapp 150 km/h sinken wir dennoch nur mit 2 m/sec. In Erinnerung an unseren ersten, viel zu hohen Anflug auf Bozen, fange ich an zu rechnen. Bei der vom GPS angezeigten Groundspeed von 80 kt benötigen wir für die knapp 12 NM rund 9 Minuten. Um in der gleichen Zeit die verbleibenden 6000 ft Höhe abzubauen, müssten wir mit gut 650 ft/min sinken. Das entspricht mehr als 3 m/sec. Also fahre ich die Sturzflugbremsen aus und versuche bei gleich bleibender Geschwindigkeit die nötige Sinkrate zu halten. Dennoch kommen wir wieder viel zu hoch über der Stadt an und ich bin gezwungen, noch ein paar Kreise zu drehen, bevor der Platz endlich in gewohnter Perspektive erscheint.

Ich habe zuvor Bozen Tower über die Landung in Segelflugkonfiguration informiert und die notwendige Freigabe erhalten. Keine andere Maschine darf mir jetzt in die Quere kommen, der Anflug muss bei ersten mal passen. Das Triebwerk ist inzwischen viel zu kalt, um die zum Durchstarten nötige Leistung zu bringen. Obwohl hunderte Male geübt will mir der Anflug diesmal nicht recht gelingen. Die Knie zittern noch immer und beim Abfangen korrigiere ich viel zu heftig. Die empfindliche Maschine steigt sofort wieder in die Höhe und so hüpfen wir noch zwei oder drei mal über die Piste bis schließlich die Geschwindigkeit zu gering ist, um noch genügen Auftrieb zu erzeugen. Jürgen sagt etwas von einem „gesteuerten Absturz“, mir ist das jedoch egal. Wir leben noch, und das ist doch auch schon was...

Wie wir nach unserer Rückkehr aus der Zeitung erfuhren, ist in den Abendstunden des selben Tages, etwa 300 Kilometer westlich, ein einmotoriges Sportflugzeug in schwerem Unwetter an den Bergen zerschellt. Keiner der vier Insassen hat den Absturz überlebt. Die Piloten waren im Gebirge erfahrene Fluglehrer und dennoch oder vielleicht gerade deswegen haben sie die eigene Kraft im Kampf mit den Naturgewalten überschätzt, haben den einen, letzten Fehler begangen. Einen gesunden Selbsterhaltungstrieb halte ich nach wie vor für die wichtigste Eigenschaft des Fliegers. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein altes Sprichwort: „Es gibt alte Flieger und es gibt tollkühne Flieger, aber es gibt keine alten, tollkühnen Flieger...“.

Auf der Suche nach einem geeigneten Abstellplatz rollen wir zum Rande des Flugfeldes. Fest verzurrt und verlassen steht dort bereits wieder die kleine „Maule“. Keine zwanzig Meter entfernt bringe ich die „IS“ zum stehen. Kaum ist der Lärm des Triebwerks verklungen, dringt das Grollen des nahenden Gewitters zu uns ins Cockpit und der auffrischende Wind zerrt und rüttelt an der Maschine. Langsam, noch unter dem Eindruck des Erlebten, schiebe ich die Kabinenhaube auf und genieße den kühlen, böigen Wind. Erste, dicke Regentropfen klatschen mir ins Gesicht und lassen mich wie aus einem Traum erwachen. Jürgen, der längst ausgestiegen ist, mahnt mich zur Eile. Wir müssen die „IS“ gründlich verankern. Sollte das Gewitter Bozen erreichen, könnte der Windsprung ein ungesichertes Flugzeug leicht „aufs Kreuz legen“. Jeder Segelflieger kennt diese Gefahr und so beeile ich mich jetzt, Jürgen bei seiner Arbeit zu helfen. Der Widerhall des Donners rollt durch das Tal und ein leichter Regen hat eingesetzt, aber das Gewitter scheint jetzt nicht mehr näher zu kommen.

Zehn Minuten später sind wir mit allem fertig, die Verankerung sollte halten und mit dem nötigen Gepäck unter dem Arm machen wir uns auf den Weg zur Flugleitung. Der Empfang ist herzlich, unsere Controllerin ist offensichtlich doch erleichtert, dass wir uns zur Umkehr entschlossen haben. Während Jürgen sich nach einer geeigneten Unterkunft erkundigt, verspüre ich das Knurren meines Magens und drängle zum Aufbruch. Nicht weit vom Flugplatz finden wir auch eine kleine Bar und gönnen uns zunächst mal ein ordentliches Bier. Scheinbar hat die Küche aber schon geschlossen und ich versuche Jürgen dazu zu bewegen, der Empfehlung der Controllerin nachzukommen und eine etwa drei Kilometer entfernte Pizzeria aufzusuchen. Der sitzt jedoch wie angenagelt, gibt meinem Magen keine Chance. Schließlich hat die Wirtin aber doch ein Einsehen und versorgt uns mit leckerem Käse und Weißbrot - fürs Erste bin ich gerettet.

Jürgens Erkundigungen nach einer Pension waren zwar ergebnislos, aber die Controllerin hatte uns zuvor freundlicherweise gestattet, auf dem Gelände des Flugplatzes zu zelten. Beide verspüren wir heute keinen Drang zu weiteren Erlebnissen und so machen wir uns auf den Rückweg zum Flugplatz. Ein passender Zeltplatz ist schnell gefunden, direkt neben unserm Flugzeug stellen wir unser kleines Zelt auf und während sich Jürgen noch mit dem Fotoapparat zu schaffen macht, liege ich schon in meinem Schlafsack. Das noch immer anhaltende Grollen des jetzt fernen Gewitter in den Ohren und mit dem stolzen Gedanken, auf einem „International Airport“ zu zelten, schlafe ich ein.

Zehnter Tag, Nach Hause
 


Regentropfen und Aerodynamik

Eine fürchterliche Nacht, der Rücken schmerzt und ich schwöre mir, nie wieder ohne ordentliche Luftmatratze zu zelten. Ein Blick zum Himmel gibt mir dann aber doch wieder etwas Kraft, die Sonne scheint und nur vereinzelte, harmlose Wölkchen schwimmen in dem tiefen Blau. Es ist kurz nach 6.00 Uhr und noch ist kein Betrieb am Flugplatz. Auch Jürgen schlägt jetzt die Augen auf und mit der Zahnbürste bewaffnet gehen wir zum Gebäude der Flugleitung. Die Morgentoilette ist schnell erledigt und in Anbetracht des doch recht spärlichen Abendbrots brauche ich zunächst mal ein ordentliches Frühstück. Zelt und Flugzeug sind tropfnass vom nächtlichen Regen. Also lassen wir zunächst alles wie es ist und machen uns auf den Weg in die Stadt. Der Ort sieht noch recht verschlafen aus, nur wenige Passanten begegnen uns auf unserem Weg. Die kleine Bar von gestern Abend hat aber schon geöffnet und einige Einheimische haben sich hier zum Frühstück versammelt. Beim herrlichen Duft des Cappuccino und dem ausgiebigen Frühstück vergesse ich rasch die Beschwerlichkeiten der Nacht.

Das Wetter sieht gut aus und es verspricht ein herrlicher Tag zu werden. Unsere Chancen, heute den Alpenüberflug zu schaffen, sind ausgezeichnet. Noch beim Frühstück überschlage ich kurz die vor uns liegende Strecke. Von Bozen bis Eisenach sind es 280 NM, also knapp 510 Kilometer Luftlinie. Auch unter Berücksichtigung notwendiger Umwege könnte der Treibstoff bei günstigem Wind für einen Direktflug reichen. Die Erfahrungen unseres Fluges von Carthage nach Olbia, über 517 km, berechtigen mich zu dieser Hoffnung. Jürgen möchte jedoch wieder in Augsburg zwischenlanden. Vielleicht ergibt sich dort ja eine Gelegenheit, unseren freundlichen Helfern vom Hinflug, Herrn Langellies, Pitt oder der Familie Steude zu begegnen und ihnen vom Erfolg unseres Unternehmens zu berichten. Ich habe nichts dagegen, zumal wir bei einem Direktflug doch mit den letzten Reserven der „IS“ spielen würden. Nachdem wir, entgegen allen Erwartungen diesen Flug bisher so erfolgreich bewältigt haben, möchte ich auf keinen Fall riskieren, kurz vor dem Ziel aus Treibstoffmangel außenlanden zu müssen. Das wäre eine schöne Blamage. Zuversichtlich, noch heute unsere Familien wieder in die Arme schließen zu können, verlieren wir keine Zeit und gehen zurück zum Flugplatz.

Die Formalitäten sind rasch erledigt, aber bevor an einen Start zu denken ist müssen wir zunächst noch unser Flugzeug „trockenlegen“. Die Wassertropfen auf den Tragflächen stören die saubere Umströmung des in dieser Hinsicht empfindlichen Laminarprofils. Schließlich wird unser Motorsegler in erster Linie nicht durch die brutale Gewalt des Triebwerks sondern durch die Gesetze der Aerodynamik, also durch den an den Tragflächen erzeugten Auftrieb in der Luft gehalten. Verschmutzungen der Oberfläche und gerade auch Wassertropfen erzeugen winzige Wirbel in der sonst glatten, laminaren Umströmung und verringern so den Auftrieb empfindlich. Jeder Segelflieger kann ein Lied davon singen, mit welchem Aufwand gerade im Sommer die Überreste der unzähligen Fliegen und Mücken zu beseitigen sind, um optimale Ergebnisse im Gleitflug zu erzielen. In unserem Fall ist es aber vor allem die dadurch bedingte Verlängerung der Startstrecke, die uns jetzt veranlasst, mit Gummiwischer und Lappen dem Wasser zu Leibe zu rücken. Unser ohnehin bis an die Grenzen seiner Tragfähigkeit beladener Flieger könnte sich sonst weigern, in die Luft zu steigen.

Während Jürgen akribisch auch noch die letzten Reste des nächtlichen Regens entfernt, packe ich unser Zelt zusammen und verstaue alles, so gut es eben geht, in der Maschine. Jetzt nur noch rasch tanken, dann kann es endlich losgehen. Während Jürgen bezahlt mache ich die nötige Vorflugkontrolle und lasse schon mal das Triebwerk warmlaufen. Nach unserem gestrigen Abenteuer hat Jürgen sich entschieden, die letzte Etappe als Passagier mitzufliegen und mir das Steuer überlassen. Endlich ist alles erledigt und jetzt heißt es endgültig Abschied nehmen von Italien. Es ist 9.30 Uhr local, als die „IS“ von der Piste abhebt. Für mich steht in diesem Augenblick fest: Ich komme wieder.

Faszination der Alpen

In der morgendlich kühlen Luft gewinnt die Maschine rasch an Höhe. Dennoch reicht es nicht für einen direkten Ausflug über NOVEMBER und so folge ich, wie bereits am Vortag, der Brennerautobahn. Die Sicht ist nicht ganz so gut wie auf dem Hinflug. Aus den vom gestrigen Regen nassen Tälern steigt leichter Dunst auf und manche Hänge ziert ein Kranz aus Wolken. Wir erreichen den Pflichtmeldepunkt ECHO1 in gut 4000 ft und zehn Minuten später verlassen wir über ECHO die Kontrollzone von Bozen. Die Luft ist seidenweich, keine Turbulenzen stören den ruhigen Flug. Langsam bleiben die Berge unter uns zurück und geben den Blick auf das phantastische Panorama der Alpen frei. Man könnte sich an diese Art des Fliegens gewöhnen, und ohne die Erfahrung des gestrigen Abends möchte man den Erzählungen über die Gefahren des Fliegens im Gebirge keinen Glauben schenken. Entweder stimmt das Wetter und das Fliegen in den Alpen wird zum phantastischen Erlebnis oder das Wetter passt nicht und dann geht gar nichts und man sollte die Finger davon lassen. Dazwischen gibt es keine Alternative.


"Langsam bleiben die Berge unter uns zurück und geben
den Blick auf das phantastische Panorama der Alpen frei"

Wir haben jetzt gut 8500 ft erreicht und der Brennerpass liegt direkt vor uns. Hier verlassen wir den italienischen Luftraum und ich verabschiede mich von Bozen. Von Innsbruck Tower erhalten wir die Genehmigung zum direkten Durchflug durch die Kontrollzone. Der Anblick des Inntales, das sich jetzt unter uns ausbreitet, erscheint mir seltsam vertraut, so als ob ich schon oft hier geflogen wäre. Majestätisch erheben sich voraus die schneebedeckten Gipfel des Karwendelgebirges. Fast senkrecht steigen die Hänge hier auf und riegeln das Tal nach Norden hin wie eine Mauer ab. Mit Worten ist die unvergeßliche Schönheit dieses Anblicks nicht zu beschreiben. Wir sind stumm ins Schauen vertieft und nur hin und wieder stört das Klicken der Kamera oder ein Knacken im Funk die beschauliche Ruhe. Langsam bleiben die Berge unter uns zurück. Nur mühsam kann ich mich vom dem Anblick losreißen. Ein letzter, wehmütiger Blick zurück, dann konzentriere ich mich wieder auf den Flug.

Zurück in Deutschland

Die Ebene im Norden liegt in dichtem Dunst und trotz unserer großen Höhe kann ich weder den Starnberger See noch München selbst ausmachen. Wir fliegen in Flugfläche 110, das sind fast 3500 m und so entschließe ich mich, jetzt das Triebwerk abzustellen, um im Gleitflug die Höhe abzubauen. Das spart Sprit und Triebwerkslaufzeit und damit vor allem Geld. Von Thermik ist zunächst leider nichts zu spüren. Erst am Ammersee beginnt das Variometer leicht zu zucken, zu schwach allerdings, um den Flug im reinen Segelflug fortsetzen zu können. Zudem bewegen wir uns jetzt wieder in kontrolliertem Luftraum und müssen uns an die Höhenbeschränkungen halten. Am Nordufer des Ammersees haben wir noch 4500 ft und ich lasse das Triebwerk wieder an, um es bei geschlossener Kühlluftklappe und Schleppgas langsam wieder auf Temperatur zu bringen.

Noch 15 NM bis Augsburg. Ich habe etwas Mühe, den Pflichtmeldepunkt zu finden, die Sicht ist im Vergleich zu den Alpen wirklich miserabel. Jürgen hilft mir aus der Klemme, wir sind fast genau darüber. Augsburg Approach weist uns an unverzüglich auf 2000 ft zu sinken und erteilt die Einfluggenehmigung für die Kontrollzone. Der Kurs führt entlang der Autobahn nach München und endlich kann ich hinter der Stadt auch den Flugplatz im Dunst erkennen. Der Rest ist jetzt wieder Routine. Genau 10.25 local setzen wir genau an der Schwelle der Landebahn 27 auf. Wir sind wieder zurück, auf deutschem Boden.

Um Zollformalitäten brauchen wir uns dank dem Schengener Abkommen nicht zu kümmern und so rollen wir gleich zur Tankstelle. Nur wenig mehr als 20 Liter fehlen im Tank. Ein guter Verbrauch für die rund 250 km von Bozen bis hierher. Es ist noch zu früh zum Mittagessen und nach dem kräftigen Frühstück verspüre ich auch noch keinen Hunger. Jürgen möchte jedoch unbedingt noch zu den Segelfliegern und so stellen wir die „IS“ erst mal am Rande des Vorfeldes ab. Das Segelfliegerheim ist noch geschlossen und auch sonst ist niemand zu sehen. Etwas enttäuscht wollen wir uns schon auf den Rückweg machen, als doch noch der Pitt auftaucht. Ein freudiges „Hallo“ und dann gilt es erst einmal zu erzählen. Selbst haben wir die Erlebnisse noch nicht recht verarbeitet und so springen wir bei unserem Bericht von einem Punkt zum anderen, fallen uns gegenseitig ins Wort und können uns über den Verlauf einzelner Situationen oft nicht einigen. Pitt schmunzelt, offensichtlich kann er gut nachempfinden was jetzt in uns vorgeht. Schließlich gehen uns langsam die Worte aus. Es ist schon fast Mittag und so verabschieden wir uns mit dem Versprechen, uns bald wieder zu melden.

Während Jürgen die Landeumlagen bezahlt, kümmere ich mich wieder um die Vorflugkontrolle und programmiere das GPS. Alles scheint in bester Ordnung, doch als Jürgen wieder an Bord ist und ich gerade das Triebwerk anlassen will, meldet sich der GPS Empfänger mit hektischem Piepen und der lakonischen Meldung: „low covering“. Auf dem gesamten Flug habe ich diesem kleinen, aber genialen Gerät fast blind vertraut und es hat uns nie im Stich gelassen. Selbst in den Bergen unter denkbar ungünstigen Empfangsbedingungen hat es klaglos seinen Dienst verrichtet und jetzt hier, in der Ebene, wo eigentlich keine Empfangsprobleme auftreten sollten verweigert es die Arbeit. Sollte das Gerät beschädigt sein? Eine rasche Überprüfung der Kontakte und der Antenne - es ist kein Fehler erkennbar.

Jürgen läßt sich davon nicht beeindrucken: „wir fliegen nach Sicht, haben die Karte und außerdem noch das VOR“. Natürlich hat er recht, aber dennoch bin ich etwas beunruhigt. Was, wenn es schon bei unserem Irrflug in den Apenninen ausgefallen wäre, ich mag gar nicht daran denken. Alle Versuche das Gerät doch noch zur Arbeit zu bewegen scheitern jedoch. Also gut, dann eben ohne GPS. Etwas missmutig hole ich die Freigabe ein und rolle zum Start. Diese letzte Etappe führt uns über die Donau und die westlichen Ausläufer der Fränkischen Alb, an Nürnberg vorbei, über den Steiger Wald und den Main bis in die Rhön und letztlich den Thüringer Wald. An und für sich ein recht interessanter Flug, doch schon kurz nach dem Start fühle ich mich wieder in die Poebene versetzt. Der Dunst ist dichter als erwartet und die Sichtweite sinkt auf unter 5 Kilometer. Ich verspüre keine große Lust in diesem Dunst „herumzustochern“ und gehe sofort nach dem Ausflug aus der Kontrollzone Augsburg in den Steigflug über. Von München Information erhalte ich die Genehmigung für Flugfläche 55 (5500 ft nach 1013 hPa Standarddruck). Etwa über der Donau erreichen wir diese Höhe, aber noch liegt die Inversionsschicht über uns und die Sicht ist unverändert schlecht. Also steige ich weiter bis auf Flugfläche 75. Schon bei knapp 7000 ft lassen wir den Dunst unter uns und die Horizontalsicht wird fast schlagartig besser.

Wir kommen jetzt in den Bereich von Nürnberg Information und ich melde uns bei der dortigen FIS an. Jürgen navigiert und rastet auch die Frequenzen der jeweiligen VOR’s. Da das GPS noch immer seinen Dienst verweigert, fliege ich nur nach den Radialen dieser gerichteten Funkfeuer. Im Unterschied zum bodenunabhängigen GPS wird die Ablageanzeige des VOR’s mit zunehmender Annäherung an die Funkfeuer immer unruhiger. Wenn man dann nicht sehr feinfühlig korrigiert, nähert man sich in einer mehr oder weniger ausgeprägten Schlangenlinie seinem Ziel. Langsam bekomme ich jedoch Übung darin, und auch Jürgen versteht es, rechtzeitig auf ein weiter entferntes VOR umzuschalten.

Wir befinden uns jetzt etwa 8 NM westlich von Nürnberg und der Controller warnt uns vor einer Gruppe Transall in unserer 10 Uhr Position. Die Maschinen sind im Sinkflug auf Nürnberg und etwa in gleicher Höhe. Obwohl wir ständig den Luftraum kontrollieren haben wir bisher noch nichts gesehen. Den Angaben des Controllers folgend, entdecken wir die drei Maschinen jetzt jedoch fast gleichzeitig. Sie kommen von Westen und kreuzen direkt unseren Kurs. Während ich den Sichtkontakt bestätige, drehe ich etwas nach Westen ab und lasse die „IS“ weiter steigen. Ohne ständige Funkverbindung mit der FIS hätten wir die Transportmaschinen leicht übersehen können. Selbst wenn ein Zusammenstoß in der Luft recht unwahrscheinlich ist, so stellen doch schon die Wirbelschleppen solch großer Flugzeuge eine nicht zu unterschätzende Gefahr für ein Sportflugzeug dar.

Ohne weitere Zwischenfälle erreichen wir Schweinfurt, schon von weitem an der charakteristischen Wolke über den Kühltürmen des dortigen Kernkraftwerkes erkennbar. Die Wolke durchstößt selbst noch die Inversionsschicht und ragt wie die Spitze eines Eisberges darüber auf. Alles was unter dieser etwa 7000 ft hohen Schicht liegt verschwindet aus unserer Perspektive in einem breiigen Grau. Fast zu jeder Jahreszeit bietet die Schweinfurter Wolke ein markantes Navigationshilfsmittel. Am Horizont, im Norden, sind jetzt jedoch vermehrt solche Wolkenzipfel zu sehen. Offensichtlich steht über dem Thüringer Wald eine kräftige Quellbewölkung, kräftig genug die ausgeprägte Inversion zu überwinden. Langsam muss ich mich entscheiden, ob ich über der Schicht bleibe oder darunter sinke. Bleibe ich in dieser Höhe, besteht die Gefahr, bei geschlossener Bewölkung die Bodensicht zu verlieren. Zwar kann ich Eisenach oder notfalls Erfurt auch ohne Bodensicht, nach den Angaben des VOR anfliegen, aber ich muss ja auch landen und durch eine geschlossen Wolkendecke zu sinken überlasse ich lieber den „Instrumentenfliegern“. Deren Maschinen sind dafür auch ausgerüstet.

Also darunter durch! Durch den flachen Betrachtungswinkel und den starken Dunst unter der Inversion ist nicht zu erkennen, wie weit die Quellbewölkung hinabreicht. Während ich das Triebwerk drossele hoffe ich dass die Bewölkung nicht auf dem Kamm aufliegt. Ich weiß, dass ich selbst dann nicht umkehren würde und es wäre doch wirklich schade, wenn unser Flug an den Baumwipfeln des Thüringer Waldes enden sollte. Bei 6500 ft sind wir in der Inversion und die Sicht wird zunehmend schlechter. Immerhin kann ich aber erkennen dass sich die Wolkentürme nach unten hin nicht fortsetzen. Wie mit dem Messer abgeschnitten scheinen sie auf der Schicht zu „schwimmen“ wie die Sahnehaube auf dem Cappuccino. Genauso milchig trüb wie der Cappuccino ist aber auch die Luft hier unten. Die Sichtweite beträgt höchstens noch drei Kilometer, aber wir haben Bodensicht und können uns Schritt für Schritt durch das bekannte Gelände tasten. Das VOR versagt jetzt ebenfalls, wir sind im Funkschatten des Thüringer Waldes, aber jetzt ist Jürgen in seinem Element. Mit traumhafter Sicherheit weist er mir den Weg durch den Dunst, ständig die Umgebung mit der Karte vergleichend, und nur schwach wage ich einzuwenden die Stadt vor uns sei nicht Suhl sondern Oberhof. Es ist dann doch Oberhof, aber das macht nichts, die „IS“ findet hier fast von allein nach Hause.

Das ganze Thüringer Becken ist von diesem Dunst erfüllt und die Sicht wird jetzt eher noch schlechter. Wir fliegen in 2000 ft und vor uns taucht jetzt endlich die Wachsenburg auf. Ich drehe nach Westen, unbedingt müssen wir noch unsere Heimatorte Mühlberg und Wechmar überfliegen. Jürgen kramt jetzt die bisher unbenutzten Signalraketen heraus. Er will sie doch tatsächlich über Mühlberg abfeuern. Na schön, ich tue ihm den Gefallen, drossele die Geschwindigkeit und drehe eine Runde über dem Ort, während er die Kabinenhaube aufschiebt und die Raketen zündet. Ich kann das Signal zwar nicht sehen, aber wie wir später erfahren wurde es vom Boden sehr wohl bemerkt.

Ohne mich weiter aufzuhalten nehme ich jetzt Kurs auf Eisenach. Ich zögere den Anruf über Funk noch hinaus, überlege, ob wir nicht unangemeldet die Freunde und Bekannten, die dort auf uns warten, mit einem tiefen Überflug überraschen sollen. Schon kurz vor Arnstadt habe ich mich von Berlin Information verabschiedet und die Eisenacher Frequenz gerastet. Wie aus den vereinzelten Funksprüchen zu entnehmen ist, dreht ein Flugschüler dort seine Platzrunden. Also doch lieber anmelden, bei der schlechten Sicht könnte es sonst eng werden. Beim Absetzen meines Standardspruches kann ich es mir dann nicht verkneifen, Carthage als Abflugort anzugeben und ich freue mich dabei wie ein Kind.

Thomas Ludwig hat Dienst auf dem Tower und weiß natürlich längst von unserer bevorstehenden Ankunft. Er hat ständig die Frequenz von Berlin Information abgehört und so auch unsere Positionsmeldungen empfangen. Sofort hat er daraufhin unsere Angehörigen und Freunde benachrichtigt und auch die Presse ist offensichtlich schon vor Ort, denn er fordert uns jetzt auf, für den Fotografen einen ordentlichen „Low Approach“ zu präsentieren. Darum braucht er mich nicht zweimal zu bitten. Während ich das Vorfeld anpeile, schiebt Jürgen noch die Kabinenhaube auf, um besser winken zu können. Der Anflug passt, in Fensterhöhe des Towers ziehe ich die „IS“ in eine steil hochgezogene Kehrtkurve. Zum Winken habe ich dabei keine Zeit und nur aus den Augenwinkeln kann ich die Menschen auf dem Vorfeld erkennen.

Es ist 15.03 Uhr Ortszeit, als die „IS“ nach 10 Tagen und über 2000 NM wieder in Eisenach aufsetzt. Der Empfang ist überwältigend. Rote Rosen und eine Flasche Sekt sind das Erste, was ich in den Händen halte, noch bevor ich von der Tragfläche herunterklettern kann und Jürgen ergeht es nicht anders. Wir liegen uns in den Armen, freuen uns und sind gerührt von soviel Aufmerksamkeit. Alle unsere Freunde sind gekommen und natürlich unsere Frauen - es ist schön wieder zu Hause zu sein.

Wir sind wieder zu Hause, ärmer an Geld, aber unvergleichbar reicher an Erfahrung. Nur langsam kann das Gehirn die Flut der Eindrücke verarbeiten, wie im Blitzlicht einer Kamera tauchen einzelne Bilder vor dem geistigen Auge auf. Die Faszination Fliegen ist auf dieser Reise zum greifbaren Erlebnis geworden und für uns beide steht fest: Wir kommen wieder, wir werden wieder die Gebirge bezwingen und das Meer und die Wüste und, wer weiß, vielleicht auch den Dschungel oder das Eis der Polarmeere. Kein Weg ist zu weit, die Welt ist rund und mein größtes Ziel ist es, diesen Kreis eines Tages zu schließen und ich glaube Jürgen wird dann auch wieder neben mir sitzen... 
Ein Kapitel Statistik
 


Kostenübersicht

Die in nachstehender Tabelle aufgeführten Kosten beinhalten ausschließlich Ausgaben, die während der Vorbereitung und bei der Durchführung des Fluges angefallen sind. Sie sollen dem interessierten Leser die Möglichkeit geben, neben dem beachtlichen Zeitaufwand auch den finanziellen Aspekt eines solchen Unternehmens abzuschätzen. Weitere, notwendige Ausrüstungsgegenstände, wie zum Beispiel Schwimmwesten, Signalmittel, GPS-Empfänger aber auch Zelt und Schlafsäcke etc., die sich zum Zeitpunkt der Vorbereitung dieses Fluges schon in unserem Besitz befanden, wurden in der Aufstellung nicht berücksichtigt.
 

 

Ausgaben für Ausrüstung und Flugbetrieb

 

 

Kartenmaterial und Trip- Kit Jeppessen

210 DM

 

Miete für Notsender ELT, incl. Batterien

130 DM

 

Landeumlagen und Abstellgebühren

226 DM

 

Gebühren für Flugzeugcharter

1920 DM

 

Kosten für Betankung und Schmierstoffe

927 DM

Zwischensumme

3413 DM

Sonstige Ausgaben

 

 

Übernachtungskosten, Hotels, Pensionen etc.

467 DM

 

Nebenkosten für Verpflegung etc.

700 DM

 

Telefonkosten

120 DM

Zwischensumme

1287 DM

Summe der Ausgaben

4700 DM

 


Es zahlt sich aus

Berücksichtigt man nur den hohen Erlebniswert eines solchen Unternehmens, so machen sich die Kosten des Fluges von rund 4700 DM für neun Tage und zwei Personen schon durchaus bezahlt. Unschätzbar ist zudem die fliegerische Erfahrung und der Gewinn an Sicherheit und Selbstvertrauen, sich auch in unbekannten Lufträumen und in einer fremden Sprache zurechtzufinden. Innerhalb von nur neun Tagen haben wir eine Flugleistung erbracht, die die Jahresflugleistung vieler Privatpiloten übersteigt. Der folgende Auszug aus dem Flugbuch sowie die statistische Auswertung soll dies deutlich machen.

Flug von Eisenach nach Tunis - Carthage, im Mai 1997

 

 

 

Ort / location

 

Zeiten / times

 

Datum

Typ

Kenner

Start

Landung

Start

Ldg.

Flug

Strecke

date

type

ident

departure

destination

depart.

arriv.

AET

dist.

 

 

 

 

 

[UTC]

[UTC]

[h:m]

[NM]

08.05.97

IS-28

D-KARS

EDGE Eisenach

EDMA Augsburg

06:20

08:16

01:56

158

09.05.97

IS-28

D-KARS

EDMA Augsburg

LIPB Bozen

06:30

08:14

01:44

136

09.05.97

IS-28

D-KARS

LIPB Bozen

LIMP Parma

12:08

15:01

02:53

110

10.05.97

IS-28

D-KARS

LIMP Parma

LIRJ Marina di Campo

09:55

12:40

02:45

234

11.05.97

IS-28

D-KARS

LIRJ Marina di Campo

LIEE Cagliari Elmas

09:05

12:42

03:37

240

12.05.97

IS-28

D-KARS

LIEE Cagliari Elmas

DTTA Tunis-Carthage

11:20

13:48

02:28

162

14.05.97

IS-28

D-KARS

DTTA Tunis-Carthage

LIEO Olbia

08:29

12:23

03:54

284

14.05.97

IS-28

D-KARS

LIEO Olbia

LIRJ Marina di Campo

14:43

16:37

01:54

147

15.05.97

IS-28

D-KARS

LIRJ Marina di Campo

LIPN Verona-Bosco.

09:30

11:53

02:23

179

15.05.97

IS-28

D-KARS

LIPN Verona-Bosco.

LIPB Bozen

14:25

15:20

00:55

70

15.05.97

IS-28

D-KARS

LIPB Bozen

LIPB Bozen

16:28

17:18

00:50

45

16.05.97

IS-28

D-KARS

LIPB Bozen

EDMA Augsburg

08:30

10:25

01:55

136

16.05.97

IS-28

D-KARS

EDMA Augsburg

EDGE Eisenach

13:20

15:03

01:43

158

 

Flugleistungen

 

Gesamtflugzeit

28 h, 57 min

zurückgelegte Strecke

2.059 NM (ca. 3.750 km)

Anzahl der Landungen

13

Anzahl der Flugtage

8

größte Strecke

284 NM (ca. 517 km)

durchschnittl. Tagesflugleistung

257 NM (ca. 486 km)

 

3 h, 37 min

durchschnittl. Reisegeschwindigkeit

90 kt (ca. 165 km/h)

durchschnittl. Reiseflughöhe

5.000 ft (ca. 1.600 m)

 

Technische Daten Motorsegler IS 28 M2/G
 
Beschreibung

Der Motorsegler IS-28M2/G ist ein doppelsitziger Motorsegler in Metallbauweise. Er ist für die Betriebsart Sichtflug (VFR-Tag) zugelassen. Der Motorsegler eignet sich für Schulung, Übungsflüge, sowie für den Überlandflug.

Er ist ein Tiefdecker mit T-Leitwerk in klassischer Metallbauweise. Die Pilotensitze sind nebeneinander angeordnet, der verantwortliche Flugzeugführer sitzt links. Das Fahrwerk ist halbeinziehbar, gedämpft und mit einem gelenkten Spornrad ausgerüstet.

Motor

      Model Limbach L 2000 E/01

  • Luftgekühlter Viertakt- Boxer- Motor mit Zündmagnet und direktem Propellerantrieb

  • Max. Leistung und Höchstdrehzahl (max. 5 min)     80 PS / 3400 U/min

  • Dauerleistung und Drehzahl bei Reiseflug               68 PS / 2900 U/min

  • Propeller

  • Hoffman - Verstell - Propeller mit drei Stellungen:
    -Start
    -Reiseflug
    -Segelstellung

Daten, Maße und Gewichte

    Spannweite

    17,00 m

    Länge

    7,50 m

    Höhe

    2,15 m

    Leergewicht des Motorseglers

    583,5 kg

    max. Abfluggewicht

    780,0 kg

    max. Zuladung einschließlich Öl und Sprit

    196,5 kg

    Tankinhalt, ausfliegbar

    55 Liter

    höchst zulässige Horizontalgeschwindigkeit

    200 km/h

    maximale Reisegeschwindigkeit

    160 km/h

    Geschwindigkeit des besten Steigens

    105 km/h

    Steiggeschwindigkeit

    2,0 m/s

    max. Flughöhe

    4500 m

    Aktionsradius ohne Reserve

    600 km

    max. Flugdauer mit Triebwerk

    5 h

    höchste Gleitzahl (bei 105 km/h)

    23 - 26

    geringste Sinkgeschwindigkeit

    1,15 m/s

Drei-Seiten-Ansicht der IS 28

   

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